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TUB:Seminar:Aktuelles Semester und Baukasten:Verantwortung und Kodizes - digital: Unterschied zwischen den Seiten

(Unterschied zwischen Seiten)
(TU Berlin - digitaler Blue Engineering Kurs - ab 21. April - dienstags - 10 Uhr)
 
(3. Fallbeispiele - Verantwortungskonflikte aus der Berufspraxis)
 
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== Blue Engineering Seminar an der TU Berlin ==
+
= Verantwortung und Kodizes - digital =
[[Datei:TU Logo lang RGB rot.png|200px|mini|rechts]]
+
  
=== Online-Kurs auf der Lernplattform der TU Berlin ===
+
{{Vorlage:Baukasten:Infobox
'''[https://isis.tu-berlin.de/course/view.php?id=18899 Blue Engineering Kurs - Sommersemester 2020]'''
+
| Indesign =
 +
false
  
=== Kontakt ===
+
| Titel =
Seminar@blue-engineering.org
+
Verantwortung und Kodizes - digital
  
(030) 314 - 75667
+
| Bild =
 +
Verantwortung_und_Kodizes.jpg
  
Raum W 303 - Straße des 17. Berlin 144 - 10623 Berlin
+
| Bildrechte =
 +
public domain
  
== TU Berlin - digitaler Blue Engineering Kurs - ab 21. April - dienstags - 10 Uhr ==
+
| Kurzbeschreibung =
 +
Die Teilnehmenden reflektieren ihre Verantwortung als angehende Ingenieur_in.  Sie werden dazu angeregt, ihr eigenes Schaffen stets kritisch zu hinterfragen und ihre Arbeit als Ingenieur_in im größeren Kontext zu betrachten. Sie lernen Verhaltensweisen und Lösungswege für Situationen kennen, in denen die eigenen Werte mit ihrem Beruf in Konflikt stehen. Unterstützend dazu bekommen sie einen Ethik-Kodex für Ingenieur_innen an die Hand und reflektieren dessen Wirksamkeit und Grundsätze.
  
'''Was?''' - innovatives Seminar zur ökologischen und sozialen Verantwortung mit 6 ECTS
+
Technik ist nicht ethisch neutral und so ist auch die Ingenieurarbeit nicht neutral. Die starke Fragmentierung der Ingenieurarbeit, bei der Einzelne auf kleinteilige Arbeitsschritte spezialisiert sind, führt zu einer Entfremdung zum Gesamtprojekt und es ist dabei leicht den Blick für das große Ganze zu verlieren. Für verantwortungsbewusstes Handeln ist gerade dieser Rundumblick wichtig. Identifiziert man einen Verantwortungskonflikt, ist es meistens der Rückhalt in Netzwerken, der hilft diesen zu lösen.
  
'''Wer?''' - Angehende Ingenieurinnen und Ingenieure, die über den Tellerrand hinaus schauen wollen. Studierende der Planungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften mit einem Interesse an Technik, Gesellschaft und Verantwortung können problemlos teilnehmen, da tiefgehende technische Kenntnisse nicht notwendig sind. Es gibt keine Kapazitätsbeschränkungen.
+
In Vorbereitung auf die Sitzung erarbeiten sich die Studierenden zunächst ein allgemeines Verständnis des Begriffs Verantwortung und setzen sich anschließend mit der spezifischen Verantwortung von Ingenieur_innen auseinander. Hierzu lesen sie einen Text sowie ein Fallbeispiel eines Verantwortungskonfliktes aus der Berufspraxis. Anschließend verfassen die Studierenden ein selbsterlebtes Fallbeispiel, um einen persönlichen Bezug  herzustellen. Im Seminar diskutieren die Teilnehmenden die Fallbeispiele in zwei Runden und nutzen dabei das Hintergrundwissen aus der Vorbereitung. Für einen intensiveren Austausch ist die Zeit dabei sehr großzügig bemessen. Der Abschluss der Sitzung findet individuell in den Kleingruppen statt. Dieses offene Ende gibt die Möglichkeit Diskussionen bei Bedarf länger zu führen. Als Nachbereitung lesen die Studierenden den Ethik-Kodex des Vereins Deutscher Ingenieure, reflektieren diesen und wenden ihn auf die diskutierten Fallbeispiele an.  
  
'''Wie?''' - interessant, kreativ, interdisziplinär, manchmal hitzig aber immer in guter Arbeitsatmosphäre. Auch in unserem online Format gibts von uns kein Frontalunterricht, sondern ein methodisch und thematisch vielfältiges Seminar, das von eurer Beteiligung lebt.  
+
| Thema =
 +
Verantwortung von Ingenieurinnen und Ingenieuren. Ethik-Kodizes für den Ingenieurberuf.
  
'''Wann?''' - vom 21. April bis 14. Juli 2020 - immer dienstags von 10.00 - 11.30 Uhr
+
| Typ =
 +
digital
  
'''Wo?''' - [https://isis.tu-berlin.de/course/view.php?id=18899 '''Online-Kurs auf der Lernplattform der TU Berlin und per Videokonferenz''']
+
| Schlagwörter =
 +
Verantwortung, Verantwortungskonflikte, Kodizes
  
'''Ablauf?''' - jede Sitzung besteht aus einer Vorbereitung, einer 90 minütigen Videokonferenz mit Anwesenheitspflicht und einer Nachbereitung.
+
| Kompetenzen =
 +
disziplinübergreifende Erkenntnisgewinnung, Kooperation, Bewältigung individueller Entscheidungsdilemmata, Partizipation, Reflexion auf Leitbilder, moralisches Handeln, Empathie
  
'''Themen?''' - Plastik, Bisphenol A, Technikbewertung, Produktivistisches Weltbild, Faktoren der Technikgestaltung, Verantwortung und Kodizes für die Ingenieursarbeit, Arbeit & Gesellschaft, Gender & Diversity … und eure Themen
+
| Lernziele =
 +
Kurze Beschreibung der Lernziele. Bitte an den 12 Modullernzielen des Seminars orientieren.
  
'''Wie anmelden?''' - Das Verfahren zur offiziellen Anmeldung wird in der ersten Sitzung bekannt gegeben.
+
| Werkzeuge =
 +
Einmachglas des Einzelnen
  
'''Welche Prüfungsform?''' - Portfolioprüfung aus zwei Teilprüfungen: individuelles Lernjournal (50%) & Entwicklung, Durchführung und Präsentation eines eigenen Bausteins (Lehreinheit) in einer Semesterprojektgruppe (50%).
+
| Lernformen =
 +
kreativ, kooperativ, faktenorientiert
  
'''Wie anrechnen lassen?''' - Bachelor-Wahlpflicht: Geotechnologie, Maschinenbau, Nachhaltiges Management, Naturwissenschaften in der Informationsgesellschaft, Verkehrswesen und Wi-Ing-Integrationsbereich. Für alle anderen als freie Wahl.
+
| Methoden =
 +
Diskussion, individuelle Reflexion
  
'''Was als Externer machen?''' - Anmeldung als Nebenhörer_in - weitere Infos auf der Lernplattform der TU Berlin
+
| Gruppengröße =
 +
>3
  
'''Kontakt?''' - seminar@blue-engineering.org
+
| Dauer =
 +
60 Minuten
  
 +
| Material =
 +
Vorbereitungseinheit zum Thema Verantwortung, Fallbeispiele: Verantwortungskonflikte aus der Berufspraxis
  
 +
|Version =
 +
Grundbaustein in Berlin. Es gibt eine frühere Version, die stark anders.
  
<!---
+
| Qualität =
{{1-Klappe offen
+
Sehr gut. Digitaler Grundbaustein.
| ID = 2018-2-Eckdaten
+
}}
| h = h2
+
  
| Titel =
+
=Vor-/Nachbereitung=
Eckdaten des Seminars.
+
==Vorbereitung der Moderation==
 +
Die Moderation passt die Auswahl und Anzahl der Fallbeispiele an die Gruppengröße an und verteilt diese gleichmäßig auf die Teilnehmenden. Bei mehr als sechs Teilnehmenden werden die sechs Fallbeispiele genutzt, um die Vielfalt möglicher Konflikte aufzuzeigen. Bei Gruppen mit weniger als sechs Teilnehmenden wählt die Moderation einzelne Beispiele aus oder gibt den Teilnehmenden jeweils zwei Fallbeispielen.
  
| Text =
+
Bei einer Gruppengröße von sechs Personen bereitet sich jede Person auf ein Fallbeispiel vor. Mit steigender Teilnehmendenzahl werden die Fallbeispiele ungefähr gleichmäßig auf die Personen verteilt, z.B. lesen bei 60 Teilnehmenden jeweils etwa zehn Personen dasselbe Fallbeispiel. Die Verteilung erfolgt z.B. über die Anfangsbuchstaben der Nachnamen. Eine leicht ungleichmäßige Verteilung ist dabei nicht problematisch. Die Diskussionsrunden finden in 10er Breakout Räumen statt, sodass ungefähr jedes Fallbeispiel pro 10er-Gruppe vertreten ist.
'''Was?''' - Innovatives Seminar zur ökologischen und sozialen Verantwortung mit 6 Leistungspunkten
+
  
'''Wer?''' - Angehende Ingenieurinnen und Ingenieure, die über den Tellerrand hinaus schauen wollen. Studierende der Planungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften mit einem Interesse an Technik, Gesellschaft und Verantwortung können problemlos teilnehmen, da tief gehende technische Kenntnisse nicht notwendig sind.
+
==Vorbereitung der Teilnehmenden==
 +
Die Teilnehmenden bearbeiten im Vorfeld Aufgaben, die in einem Forum zusammengestellt sind. Das Forum besteht aus fünf gesonderten Themenabschnitten:
 +
* Was ist Verantwortung? - eigene Gedanken & Redebeitrag anhören
 +
* Hans-Ulrich Kammeyer zu Verantwortung im Ingenieursberuf - lesen und Fragen beantworten
 +
* Fallbeispiel: Verantwortungskonflikt aus der Berufspraxis - lesen und Notizen machen
 +
* Fallbeispiel: selbsterlebter Verantwortungskonflikt -  einen Konflikt aus der eigenen Berufspraxis aufschreiben
 +
* Die zwei Fallbeispiele sind die inhaltliche Grundlage für die Diskussionsrunden während des Seminars.  
  
'''Wie?''' - Interessant, kreativ, interdisziplinär, manchmal hitzig aber immer in guter Arbeitsatmosphäre. Drei Kurse mit je 30 Teilnehmenden laufen parallel und manchmal zusammengefasst in einem Raum. Es findet kein Frontalunterricht statt, sondern das Seminar ist methodisch und thematisch vielfältig.
+
==Nachbereitung der Teilnehmenden==
 +
Die Teilnehmenden lesen den Ethik-Kodex des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), reflektieren diesen und stellen einen Bezug zu den Fallbeispielen her.
  
'''Wann?''' - Dienstags von 10.00 bis 14.00 Uhr
+
=Ablaufplan=
 +
==00. Minute - Begrüßung und gemeinsamer Start in der Großgruppe==
 +
===Hinweise===
 +
Die Moderation stellt den Ablaufplan vor. Die Moderation erstellt 10er Breakout-Räume für die Diskussionsrunden.
  
'''Wo?''' - H 3006, Technische Universität Berlin
+
===Folien===
 +
'''Ablauf der heutigen Veranstaltung'''
 +
*10.00 - Begrüßung & Ankündigungen
 +
*10.05 - Was ist Verantwortung?
 +
*10.10 - Diskussionsrunde 1 - gelesene Fallbeispiele
 +
*10.35 - Diskussionsrunde 2 - eigene Fallbeispiele
 +
*11.00 - Abschluss in den Kleingruppen
  
'''Wie anmelden?''' - Das Verfahren zur offiziellen Anmeldung wird in der ersten Sitzung bekannt gegeben.
+
==5. Minute - Was ist Verantwortung?==
 +
===Hinweise===
 +
Die Moderation leitet in das Thema ein, indem sie Teile des E-Learnings aufgreift und die Sitzung in den Gesamtkontext des Seminars einordnet, z.B. ein Verweis auf die Auftaktsitzung, in der die Teilnehmenden eine Mindmap zu Verantwortung erstellt haben.
  
'''Welches Modul?''' - Das 6 Leistungspunkte-Modul heißt offiziell [https://moseskonto.tu-berlin.de/moses/modultransfersystem/bolognamodule/beschreibung/anzeigen.html?number=50681&version=2&sprache=1 Blue Engineering - Nachhaltigkeit im Ingenieurswesen]
+
===Folien===
 +
'''Folgende Aspekte können beispielsweise aufgegriffen werden: '''
 +
* Was ist Verantwortung? - Sicht der Teilnehmenden
 +
* Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der * Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.
  
'''Welche Prüfungsform?''' Das Seminar wird mit einer Protfolioprüfung abgeschlossen. Diese besteht aus drei Teilprüfungen: Lernjournal, Baustein Durchführung, Durchführung und Präsentation des Semesterprojekts mit insgesamt 100 Punkten. Anmeldeschluss ist die vierte Sitzung.
 
  
'''Wie anrechnen lassen?''' - Bachelor-Wahlpflicht: Maschinenbau, Verkehrswesen und Wi-Ing-Integrationsbereich. Für alle anderen als freie Wahl.
+
'''Welche Verantwortung hat ein_e Ingenieur_in? - Sicht der Teilnehmenden'''
  
== Wer wir sind. ==
+
Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.
  
Im Sommersemester 2009 haben sich Studierende als Projektwerkstatt zusammengeschlossen um gemeinsam die soziale und ökologische Verantwortung im Ingenieurberuf zu stärken. Als ersten konkreten Schritt haben sie an der Technischen Universität Berlin ein Seminar völlig eigenständig entwickelt, das inhaltlich und methodisch neue Wege geht. Mittlerweile hat sich das Seminar fest in der Lehre etabliert und wurde seitdem jedes Semester angeboten. Die Seminare sind angesiedelt am Fachgebiet Konstruktion von Maschinensystemen von Prof. Dr.-Ing. Henning Meyer.
 
  
=== Tutor_innen ===
+
'''Welche Werte sind wichtig im Bezug auf den Ingenieursberuf? - Sicht der Teilnehmenden'''
  
{{4-Klappen
+
Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.
| ID = Tutor
+
  
| Titel-1 = Theresa
 
| Text-1 = <small>Theresa studiert Technischen Umweltschutz mit dem Schwerpunkt Bodenkunde. In und außerhalb des Blue Engineering Seminars beschäftigt sie sich intensiv mit den Themen Selbstversorgung, Nachhaltigkeit und Feminismus.
 
</small>
 
  
| Titel-2 = Marianne
+
'''Ist Technik neutral? - Sicht der Teilnehmenden'''
| Text-2 = <small>Marianne studiert Ökologie und Umweltplanung, wobei sie sich in ihrem Studium insbesondere für gesellschaftlich umstrittene Themen (bspw. Endlagerung) interessiert. Innerhalb des Blue Engineering Seminars liegt ihr Fokus auf Themen wie Arbeit und Ideologie.
+
</small>
+
  
| Titel-3 = Nora
+
Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.
| Text-3 = <small>Nora ist im Studiengang Kultur und Technik mit dem Schwerpunkt Philosophie an der TU Berlin. Besonders interessiert ist sie an Technikphilosophie und Technikethik, wodurch sie auch zu Blue Engineering kam.
+
</small>
+
  
| Titel-4 =  Blue Engineers
 
| Text-4 = [[File:BEProfil.jpg|200px]] Neben den Tutor_innen sind hauptsächlich auch die Teilnehmer_innen verantwortlich für ein gutes Gelingen des Seminars, denn sie bestreiten einen großen Teil der Lehre. Zudem haben die ehemaligen Teilnehmenden wunderbare Bausteine entwickelt, die jedes Semester auf's Neue zum Einsatz kommen. Und zu guter Letzt hat auch die Projektwerkstatt Blue Engineering einen großen Anteil an Blue Engineering überhaupt und an jedem einzelnen Seminar.
 
}}
 
  
=== Verantwortliche im Hintergrund ===
+
'''Ambivalenz von Technik bei Hans Jonas und Hans Ulrich Kammeyer'''
{{2-Klappen
+
| ID = Verantwortliche
+
  
| Titel-1 = André Baier
+
Nicht nur wenn Technik böswillig, d.h. für böse Zwecke, missbraucht wird, sondern selbst wenn sie gutwillig für ihre eigentlichen und höchst legitimen Zwecke eingesetzt wird, hat sie eine bedrohliche Seite an sich, die langfristig das letzte Wort haben wird. - Hans Jonas
| Text-1 =
+
[[File:AndreProfil.JPG|200px]]<br />
+
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet für Konstruktion von Maschinensystemen am Institut für Konstruktion, Mikro- und Medizintechnik (IKMM) der TU Berlin.
+
  
| Titel-2 = Prof. Dr.-Ing. Henning Meyer
 
| Text-2 = [[File:MeyerProfil.jpg|200px]] <br />
 
Leiter des Fachgebiet für Konstruktion von Maschinensystemen am Institut für Konstruktion, Mikro- und Medizintechnik (IKMM) an der TU Berlin.
 
}}
 
  
Das Seminar wird hauptsächlich von Tutor_innen durchgeführt. Verantwortlich für das Seminar sind Prof. Dr.-Ing. Henning Meyer und als wissenschaftlicher Mitarbeiter André Baier.
+
Um mit der technischen Illusion provisorisch fertig zu werden, kann man Jacques Elluls Formulierung annehmen: Die Technik ist ambivalent. Das bedeutet, dass sie gleichzeitig gut und schlecht ist; die gleiche technische Handlung ist nicht – je nach der Natur der Umstände – positiv oder negativ: Sie ist stets positiv und negativ zugleich, weil sie die Gesamtheit des menschlichen Wesens, das niemals ausschließlich gut oder schlecht ist, in Anspruch nimmt. - Hans Ulrich Kammeyer
  
== Unser Lehr- und Lernkonzept. ==
 
  
Das Blue Engineering Seminar verlagert den Lehr-/Lernprozess weitgehend auf die Teilnehmenden, die ihre eigene Lehre mitgestalten. Kern des Konzepts sind Bausteine, das heißt Lehr-/Lerneinheiten zu ganz unterschiedlichen Themen wie z.B. Ethik-Kodizes, das Produktivistische Weltbild, Technik als Problemlöser?!, Peak Everything, Arbeit/Gesellschaft/Gewerkschaft, Gender, Diversity & Technik usw. Jeder Baustein nutzt hierbei verschiedene didaktische Methoden, so dass die Verantwortlichen des Seminars nicht als Expert_innen gefragt sind, sondern als Moderator_innen. Die Teilnehmenden sind aktiv in das Seminar mitbezogen, indem sie einen der Bausteine durchführen und einen solchen Bausteine als Semesterprojekt eigenständig erarbeiten, erproben und dokumentieren. Diese Leistungen erfolgen als Gruppenarbeit. <br />
+
==10. Minute - 1. Diskussionsrunde zu gelesenen Fallbeispielen ==
 +
===Hinweise===
 +
Die Teilnehmenden lesen in Vorbereitung auf die Sitzung die zugeteilten Fallbeispiele. Die Moderation stellt den Arbeitsauftrag für die 10er Kleingruppen vor und weist zusätzlich auf die Diskussionsregeln sowie auf die Selbstständigkeit der Kleingruppe hin. Die Teilnehmenden arbeiten anschließend eigenständig in 10er Gruppen. Die Moderation führt das Werkzeug Einmachglas des Einzelnen ein mit dem Hinweis, dass der Zusammenschluss in Netzwerken mit anderen helfen kann, Verantwortungskonflikte zu lösen. Nach 25 Minuten Diskussionszeit treffen sich alle wieder in der Großgruppe.  
  
== Wer kann am Seminar teilnehmen? ==
+
===Folien===
 +
'''Hinweise zur Gesprächs-/Diskussionskultur'''
 +
*Redemodus: eine Person beginnt zu sprechen und bestimmt dann die nächste Person
 +
*wenn ihr etwas sagen wollt, meldet euch
 +
*kurz fassen und nur wenige Punkte klar benennen
 +
*mit Interesse hören, was die anderen zu sagen haben
 +
  
Unser Ziel ist es, eine möglichst interdisziplinäre Veranstaltung anzubieten. Das Seminar richtet sich zwar an angehende Ingenieur_innen, ist jedoch so konzipiert, dass auch Studierende anderer Studiengänge mit Interesse an Technik und Gesellschaft problemlos teilnehmen können. Daher freuen wir uns, wenn Studierende der Planungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften am Seminar teilnehmen.
+
'''Diskussion der zugeteilten Fallbeispiele  - Kleingruppenarbeit - 25 min'''
 +
*Stellt euch reihum die gelesenen Fallbeispiele vor
 +
*Haben mehrere Personen dasselbe gelesen, beginnt eine Person und die anderen ergänzen
 +
*Diskutiert die Fallbeispiele auf folgende Fragestellungen:
 +
**Welche Werte spielen eine Rolle und in welchem Verhältnis stehen sie?
 +
**Welche Verantwortungskonflikte entstehen?
 +
**Welche Maßnahmen und Probleme liegen vor?
 +
**Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen den Fallbeispielen festellen?
  
== Anmeldung. ==
 
  
Der erste Seminartermin ist als Einstieg konzipiert, so dass ihr einen ersten inhaltlichen Überblick über das Seminar erhaltet. Methodisch werdet Ihr eine gute Ahnung bekommen, wie wir arbeiten und was wir von euch abverlangen, wenn es heißt, dass wir keinen Frontalunterricht anbieten.  
+
'''Einmachglas des Einzelnen '''
 +
*Allein machen sie dich ein.  
 +
**- Ton Steine Scherben
  
Die Anmeldung erfolgt erst in der ersten Sitzung im Semester - der Ablauf wird in der ersten Sitzung erklärt. Wir werden allen Interessierten eine Rückmeldung darüber geben, ob eine Teilnahme möglich ist. Bisher konnten immer alle Interessierten am Seminar teilnehmen. Sollte diesmal eine Auslosung aufgrund von zu vielen Anmeldungen nötig sein, werden wir die Vorgaben der Allgemeinen Studienordnung beachten und uns unter Gesichtspunkten der Interdisziplinarität (sowohl fach- als auch semesterbezogen) sowie geschlechterspezifisch um eine faire Auswahl bemühen.
+
Die Handlungsmöglichkeiten von Einzelnen sind stark beschränkt, aber Einzelne haben immer die
  
== Anwesenheit. ==
+
Möglichkeit sich mit anderen zusammenzuschließen - dann ist es kein Einzelinteresse mehr, sondern
 +
das eigene Anliegen wird langsam zu einer Frage des Allgemeinwohls. Zu zweit, dritt, hundert oder tausend macht es nicht nur mehr Spaß, sondern man unterstützt und motiviert sich gegenseitig, um auch Hängepartien zu überstehen.
  
Im Blue Engineering-Seminar erfolgt der Lernprozess kontinuierlich über das ganze Semester durch Mitarbeit und Diskutieren bei den Bausteinen. Wir erwarten daher Deine regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen.  
+
==35. Minute - 2. Diskussionsrunde zu den selbsterlebten Fallbeispielen ==
 +
===Hinweise===
 +
Die Teilnehmenden schreiben in Vorbereitung auf die Sitzung ein selbsterlebtes Fallbeispiel aus ihrer eigenen Berufspraxis auf. Die Moderation stellt den Arbeitsauftrag der 10er Kleingruppenarbeit vor und weist zusätzlich auf die Diskussionsregeln sowie auf die Selbstständigkeit der Kleingruppe hin. Für gesteigertes Vertrauen beim Besprechen der persönlichen Konflikte bleiben die Gruppen aus der ersten Diskussionsrunde bestehen. Die Moderation stellt die Aufgaben zur Nachbereitung vor und verabschiedet die Großgruppe. Die Teilnehmenden arbeiten anschließend eigenständig in 10er Gruppen und führen den Abschluss der Sitzung eigenständig durch. Durch das offene Ende, können die Studierenden selbst den Endpunkt ihrer Diskussion bestimmen und bei Bedarf sich über aufgekommene Punkte weitergehend austauschen.  
  
== Portfolioprüfung mit drei Teilleistungen ==
+
===Folien===
 +
'''Diskussion der selbsterlebten Fallbeispiele  - Gruppenarbeit - 25 min'''
 +
*Stellt euch reihum eure eigenen Fallbeispiele vor
 +
*Diskutiert die Fallbeispiele auf folgende Fragestellungen:
 +
**Welche Werte stehen im Konflikt zueinander?
 +
**Wie seid ihr mit dem Konflikt umgegangen? Konnte er gelöst werden?
 +
**Hattet ihr Unterstützung bzw. hätte Unterstützung eure Situation verändert?
 +
**Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen den Fallbeispielen festellen?
  
Rund die Hälfte der Arbeitszeit rechnen wir auf die regelmäßige Teilnahme sowie für die Vor- und Nachbereitung der Seminarsitzungen an. Zur individuellen Vorbereitung zählt beispielsweise das Lesen von kurzen Texten, die einen thematischen Einstieg in das jeweilige Tagesthema bieten. Zur individuellen Nachbereitung zählen darüber hinaus das Abfassen eines Lernjournal, das zu Semesterbeginn ausführlich erklärt wird. Die zweite Hälfte der Arbeitszeit wird auf das selbstständig zu erarbeitende Semesterprojekt angerechnet. Idealerweise finden sich drei bis fünf Studierende zusammen, die gemeinsam und kontinuierlich über das ganze Semester an einem Projekt arbeiten. In dieser Gruppe wirst du auch einen Baustein – eine 60-minütige Unterrichtseinheit – durchführen.
 
  
<blockquote>
+
'''Nachbereitung'''
* Die Prüfung erfolgt als prüfungsäquivalente Studienleistung mit drei Teilleistungen:
+
*Lest den Ethik-Kodex des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und beantwortet folgende Fragen zur Nachbereitung:  
** einem individuell geführten Lernjournal - 25 Punkte
+
*Welche Hilfestellung gibt der Kodex für die Fallbeispiele?
** einer Baustein Durchführung mit der Semesterprojektgruppe - 25 Punkte
+
*Verändert sich die Betrachtung der Fallbeispiele durch diese Grundlage?
** Präsentation und Dokumentation des Semesterprojekts - 50 Punkte
+
*Würdest du den Kodex unterschreiben? Siehst du Schwierigkeiten?
</blockquote>
+
  
Durch die drei Teilleistungen können demnach maximal 100 Punkte erworben werden. Die Teilleistung sind untergliedert in insgesamt 20 Bewertungskriterien, die jeweils mit bis zu 5 Punkten bewertet werden. Es werden nur ganze Punkte vergeben. Eine Übererfüllung einzelner Kriterien ist im Einzelfall möglich.
+
=Hinweise und Anmerkungen.=
 +
===Von den Verfasser_innen===
 +
Grundbaustein in Berlin - erfolgreich mit 120 Teilnehmenden in 10er Gruppen getestet. Für intensiveren Austausch und größeres Vertrauen, hat es sich bewährt die 10er Gruppen für die zweite Diskussionsrunde nicht zu durchmischen. Der Baustein kann als 90-minütige Variante durchgeführt werden z.B. durch das Einbinden von externen Expert_innen. In Berlin hat ein ehemaliger Blue Engineering Tutor einen Verantwortungskonflikt (Zuarbeit zu einem Militärprojekt) vorgestellt, den er in seinen ersten Arbeitsjahre erfahren hat und anschließend Fragen der Studierenden beantwortet.  
  
== Die drei Teilleistungen im Überblick ==
+
===Nach weiteren Durchführungen===
<div class="row">
+
Noch ausstehend.
<div class="col-md-12">
+
<div class="bs bs-tabs">
+
        <ul id="myTab" class="nav nav-tabs nav-justified nav-tabs-primary" style="margin:0;">
+
            <li class="active" data-toggle="tab"> [[NavTabText#lernjournal|25 Punkte:<br/> Lernjournal]]</li>
+
            <li data-toggle="tab"> [[NavTabText#bdurch|25 Punkte:<br/> Baustein-Durchführung]]</li>
+
            <li data-toggle="tab"> [[NavTabText#projekt|50 Punkte:<br/> Semesterprojekt]]</li>   
+
               
+
        </ul>
+
</div>
+
  
<div id="myTab" class="tab-content">
 
            <div class="tab-pane active" id="lernjournal">
 
                <p style="text-align:justify;">Das Lernjournal ist Hauptteil der individuellen Auseinandersetzung mit den Themen von Blue Engineering und dient der eigenen Reflexion und Erinnerung. Die Lernjournale können analog und/oder digital geführt werden. Alternative Formate mit eigener inhaltlicher/methodischer Zielsetzung sind nach Rücksprache möglich und gern gesehen, z.B. ein innerer Dialog, Bildergeschichte, Märchenerzählung, Drama/Komödie, Comic-Strip, Improtheater-Video.
 
<br/><br/>
 
Die Lernjournale sind in der fünften Sitzung analog oder digital vorzulegen. Die finale Abgabe erfolgt in der 10. Sitzung in jedem Fall in einem analogen Format, so dass gegebenenfalls ausgedruckt vorgelegt werden muss. Die Lernjournale werden anschließend bewertet und in der Abschlusssitzung zurückgegeben.
 
  
Durch die Lernjournale können 25 von 100 Punkten erworben werden.
+
=Literaturhinweise und Quellen=
 +
===Fallbeispiele===
 +
*Matthias Maring (Hrsg.) - 2011 - Fallstudien zur Ethik in Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Gesellschaft - Irak-Fall - Kläranlagen-Fall - Reaktormessgeräte-Fall - Großraumbüro-Fall - Kongresshallen-Fall - KIT Scientific Publishing - ISBN 978-3-86644-608-3, Lizenz CC by-nc-nd 3.0
 +
*Klaus Kornwachs - 2015 - Der Konstrukteur und der Kunde - Philosophie für Ingenieure - Ford-Pinto-Fall - Carl Hanser Verlag  - ISBN 978-3446442399
 +
===Kodex===
 +
*Verein Deutscher Ingenieure (VDI) - 2002 - Ethische Grundsätze des Ingenieurberufs - https://www.vdi.de/fileadmin/vdi_de/redakteur/bvs/bv_ruhr_dateien/vdi/VDI_Ethische_Grundsaetze.pdf
  
*Nach Folgenden Kritiereien wird bewertet: (jeweils 5 Punkte)
+
===Vorbereitung===
** '''Vollständigkeit''': Zu jeder Sitzung wurde ein Eintrag erstellt
+
*Hans Jonas - Verantowrtung neu denken - Redebeitrag - https://www.youtube.com/watch?v=N61nUnsy_bM
** '''Werkzeuge''': Reflektion der Werkzeuge der jeweiligen Sitzungen
+
*Hans-Ullrich Kammeyer - 2014 - Was ist und wie weit reicht die Verantwortung des Ingenieurs? - Verantwortung von Ingenieurinnen und Ingenieuren - Springer Verlag - ISBN 978-3-658-05530-1
** '''Transfer''': Auseinandersetzung über das Seminar hinaus, z.B. Zeitungsartikel gelesen, Gespräch mit Freund_innen oder Familie gesucht
+
** '''Ansprechende Gestaltungsform''': Die einzelnen Beiträge werden durch Zeichnungen, Fotos, Collagen, Gedichte, Theater-Dialog oder eine sonstige künstlerische Auseinandersetzung bereichert
+
** '''Schluss Feedback / Reflektion''': Der letzte Eintrag in das Lernjournal umfasst eine zusammenfassende Auseinandersetzung mit dem gesamten Lernjournal und dem eigenen Lernweg innerhalb des Seminars
+
</p>
+
            </div>
+
            <div class="tab-pane" id="bdurch">
+
                <p style="text-align:justify;">
+
Blue Engineering-Bausteine sind so gestaltet, dass sie alle notwendigen Informationen enthalten und eine didaktische Aufbereitung bieten um eine etwa 60-minütige Lehreinheit für etwa 20 Personen zu gestalten. Sie machen Gebrauch von ganz unterschiedlichen didaktischen Methoden, die jedoch immer den Arbeits- und Lernprozess auf die Gruppe verlagern. Die Vorbereitungszeit für die Durchführenden ist überschaubar. Bei einzelnen Bausteinen kann eine intensivere Vorbereitung oder Überarbeitung im Vorfeld notwendig sein.
+
<br/><br/>
+
Die ersten fünf Bausteine werden von den Verantwortlichen des Seminars durchgeführt. Die weiteren Termine werden meist durch die Teilnehmenden gestaltet, wobei sie aus thematisch unterschiedlichen Bausteinen auswählen können. Die Wahl des Bausteins und das Datum der Durchführung erfolgt in der vierten Sitzung. Jede Semesterprojekt-Gruppe führt einen Baustein durch und hält hierzu im Vorfeld eine Rücksprache mit ihrer_m jeweiligen Betreuer_in und bereitet im Anschluss eine schriftliche Dokumentation ihrer Änderungen für eine weitere Verwendung auf. Für die Baustein-Durchführung im Seminar können bis zu 25 Punkte erworben werden.
+
  
Die folgenden fünf Kriterien sind entscheidend für die Bewertung der Baustein Durchführung. Jedes Kriterium wird mit 5 Punkten bewertet.
+
=Vorbereitung - Aufgaben - Verantwortung=
* '''Zeitmanagement'''
+
==Hinweis==
* '''Moderation, Präsenz, Klarheit und Anleitung der Gruppe'''
+
Die Moderation erstellt ein Forum auf der Moodle Plattform mit jeweils einem neuen Thema für jeden Abschnitt der Vorbereitungseinheit. Es ist darauf zu achten, die Themen bereits im Titel zu nummerieren und die entsprechenden Inhalte (siehe unten) hochzuladen. Die Teilnehmenden bearbeiten die Aufgaben in Reihenfolge der Nummerierung (1-4).
* '''Einbindung und Aktivierung von Teilnehmenden'''
+
* '''Einarbeitung, Überarbeitung, Aktualisierung und Erneuerung des bestehenden Bausteins'''
+
* '''Dokumentation der eigenen Erfahrungen/Änderungen für zukünftige Gruppen'''
+
  
</p>
+
==Überblick==
            </div>
+
'''Die Vorbereitungseinheit besteht aus fünf Abschnitten:'''
            <div class="tab-pane" id="projekt">
+
*Was ist Verantwortung?
                <p style="text-align:justify;">Für das Semesterprojekt erarbeitet eine Gruppe von Studierenden eine eigene Lehr-/Lerneinheit, führt diese durch und dokumentiert sie. Die Gruppengröße liegt zwischen drei und fünf Personen. Zur Ausarbeitung des Semesterprojekts gehören Feedback-Runden in der fünften und sechsten Seminarsitzung.  Jede Gruppe wird durch eine feste Ansprechperson aus dem Seminar-Team betreut.
+
*Hans-Ulrich Kammeyer zur Verantwortung im Ingenieursberuf
<br/><br/>
+
*Fallbeispiele - Verantwortungskonflikt in der Berufspraxis
Das eigene Semesterprojekt wird in der zehnten, elften und/oder zwölften Seminarsitzung durchgeführt sowie auf dem Markt der Möglichkeiten in der Abschlusssitzung präsentiert. Jedes Kriterium wird mit 5 Punkten bewertet.
+
*Fallbeispiel - eigener Verantwortungskonflikt
<br/><br/>
+
Die Bewertungskriterien für das Semesterprojekt sind:
+
<br/>
+
*'''Semesterprojekt - insgesamt''' (insgesamt 20 von 50 Punkten)
+
** soziale und ökologische Auseinandersetzung mit einem klaren Bezug zu Technik, Natur, Individuum und/oder Gesellschaft
+
** Originalität
+
** Wissenschaftlichkeit und Quellenarbeit
+
** Lernziele und Stringenz
+
  
*'''Semesterprojekt - Präsentation''' (insgesamt 15 von 50 Punkten)
 
** Methoden und Didaktik
 
** Moderation, Motivation, Präsenz, Klarheit und Anleitung der Gruppe
 
** Zeitmanagement
 
  
*'''Semesterprojekt - Dokumentation und Materialien''' (insgesamt 15 von 50 Punkten)
+
===1 - Was ist Verantwortung??===
** Wieder- und Weiterverwendbarkeit sowie Vollständigkeit
+
** Sorgfalt
+
** graphische/ästhetische Aufarbeitung
+
  
</p>
+
Beantworte folgende zwei Fragen als Antwort auf diesen Forumsbeitrg in jeweils EINEM Satz:
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+
* 1. Was ist Verantwortung für dich persönlich?
 +
*2. Welche Verantwortung hat ein_e Ingenieur_in aus deiner Sicht
  
     
 
</div>
 
</div>
 
</div>
 
  
== Semesterprojekte -  Format- und Themenvorschläge==
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Höre dir nach Beantwortung der Fragen folgenden kurzen Redebeitrag des Soziologen Hans Jonas zum Thema Verantwortung an:
Wie oben beschrieben sind die Präsentation und Durchführung einer eigenen Semesterarbeit zwei Prüfungsleistungen innerhalb des Seminars. Ihr werdet hierzu in 3er bis 5er Gruppen zusammenarbeiten, die sich am dritten Seminartermin bilden werden. Hier findet ihr bereits ein paar Format- und Themenvorschläge - gerne könnt ihr auch eigene Themen und Formate einbringen.
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Wir möchten mit euch gerne alternative Formen der Wissensvermittlung entwickeln und ausprobieren. Als alternative Formate für eure Semesterprojekte könnt ihr daher auch selber ein eigenes Format ausdenken. Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Formate das Kriterium der Wieder- und Weiterverwendbarkeit erfüllen, sod ass sie in kommenden Semestern, bei Ausstellungen, Aktionen oder bei Workshops wieder genutzt oder gegebenenfalls von einer zukünftigen Seminargruppe erweitert werden können.
+
Hans Jonas - Verantwortung neu denken - https://www.youtube.com/watch?v=N61nUnsy_bM
  
Wir möchten euch ermutigen, Semesterprojekte zu euren eigenen Themen zu bearbeiten. Sprecht uns einfach an, so lange sich euer Thema im Umfeld von Technik, Individuum, Natur, Gesellschaft und Demokratie verorten lässt, sind wir offen für eure Vorschläge oder schaut euch unsere Vorschläge an.
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Und zum Mitlesen, Hans Jonas:
  
{{2-Klappen
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"Noch nie gab es zu verantworten was es heute zu verantworten gibt. Sowohl Wissen wie Macht waren zu begrenzt um die entferntere Zukunft in die Voraussicht und gar den Erdkreis in das Bewusstsein der eigenen Kausalität einzubeziehen. Erst die moderne Technik mit der beispiellosen Reichweite ihrer Taten in Raum und Zeit eröffnet diese Horizonte und stellt damit der sittlichen Vernunft ganz neue Aufgaben. Eine davon ist unsere Verantwortung erst einmal neu zu denken. Der Versuch dazu erlegt sich als Pflicht der Verantwortung selbst auf. So erging es mir..."
| ID = Prüfungsleistungen
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| h = h3
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| Titel-1 = Formate für Semesterprojekte
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Weitere Informationen zu Hans Jonas finden sich zum Beispiel auf Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Jonas
| Text-1 =
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'''Bausteine - Überarbeitung bestehender Bausteine.'''<br/>
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Der Charakter von Bausteinen wird im Abschnitt „Baustein durchführen“ beschrieben. Bausteine können zeitlich unterschiedlich lang sein - 15, 30, 45, 60 oder 90 Minuten, wobei kurze Bausteine miteinander zu einem insgesamt längeren Baustein kombiniert werden können. Für die Präsentation im Seminar stehen jedoch in der Regel nur 60 Minuten zur Verfügung, bei Bedarf ist dies mit der_dem Betreuer_in abzuklären.
+
  
'''Wissensspeicher.'''<br/>
 
Ein Wissensspeicher bereitet ein Themenfeld so auf, dass es sich von möglichst vielen Blickwinkeln aus betrachtet lässt. Es soll nichts neues eigenes geschaffen werden, sondern eine große Sammlung angelegt werden, die möglichst alle Sinne und Lerntypen anspricht, durch Fotos, Texte, Videoausschnitte, Hörspiele, Flugblätter, Zitate und dergleichen. Wenn man so will, ist ein Wissensspeicher eine riesige Mindmap aus Text, Bild, Ton, Geruch und Gegenstand.
 
  
'''E-Learning. '''<br/>
+
===2. Hans-Ulrich Kammeyer zur Verantwortung im Ingenieurberuf===
Die E-Learning-Einheiten sollen methodisch vielfältig sein (Einbezug verschiedener Texte, Radiobeiträge, Videoclips, Infografiken etc.) und sowohl das Selbstlernen als auch die Selbstreflexion der Teilnehmenden befördern.
+
  
'''Künstlerisches / Fotographisches / Darstellendes - Projekt.'''<br/>
+
Lies zuerst den folgenden Text. Du findest du ihn unten nochmal als pdf, falls du ihn herunterladen und ausdrucken möchtest.  
Ein Blue Engineering Thema wird durch eine künstlerische, darstellende, fotographische, musikalische etc. Auseinandersetzung so aufbereitet, dass es dauerhaft in anderen Bildungskontexten genutzt werden kann, z.B. die Erstellung eines Bilderbuchs (Text + graphische Illustration), das aus der Sicht eines Kindes technische Aspekte oder Aspekte des Ingenieurberufs beschreibt. Hierzu zählen auch kleine (technische) Handbücher zu verschiedenen Themen.
+
  
'''Spiele, Brettspiele, Kartenspiele, Gesellschaftsspiele etc.'''<br/>
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Beantworte im Anschluss folgende zwei Fragen (fasse dich kurz!):
Entwicklung eines Brettspiel- oder Kartenspiels, bei dem sich spielerisch mit einem Blue Engineering Thema auseinandergesetzt und soziale und ökologische Verantwortung reflektiert wird - z.B. Lük, Quartett/Trumpf.
+
*1. Wie stehst du zur Aussage „Technik ist neutral“?
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*2. Welche Werte findest du wichtig im Bezug auf den Ingenieursberuf?
  
'''Mosaiksteine für eine Vorlesung.'''<br/>
 
Für eine Vorlesung werden mehrere kleine Lehr-/Lerneinheiten (Mosaiksteine) zu Themen der sozialen und ökologischen Verantwortung erstellt. Dies erfolgt idealerweise nach Rücksprache mit dem_der Lehrenden.
 
  
'''Exkursion.'''<br/>
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'''Hans-Ulrich Kammeyer'''
Eine mehrtägige Exkursion zu einem Thema wird vorbereitet und durchgeführt. Mögliche Themen sind zum Beispiel: Industrielle Nahrungsmittelproduktion vom Feld und Stall bis zur Fertigpizza, Erdöl von der Raffinerie zum Endprodukt oder andere Themen, wie Holzwirtschaft, Energiewirtschaft, Stahl.
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*Diplom-Ingenieur, Beratender Ingenieur, Prüfingenieur für Baustatik; Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen, Vizepräsident der Bundesingenieurkammer
  
'''Räumliche Interventionen und Stadt-/Campusführungen.'''<br/>
 
Es werden Rundgänge, Geo-Cachings oder ähnliches ausgearbeitet, die eine kritische Auseinandersetzung mit den örtlichen Gegebenheiten ermöglichen. Vorbildhaft sind hier bestehende anti-rassistische Stadtrundgänge und lobbykritische Führungen durch das Regierungsviertel.
 
  
| Titel-2 = Themenvorschläge
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'''Was ist und wie weit reicht die Verantwortung des Ingenieurs?'''
| Text-2 =
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'''Apocalypse now'''<br/>
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Eine zentralisierte Gesellschaft bietet viele Annehmlichkeiten, doch während sich die Menschen immer freier bewegen und fühlen steigt die unsichtbare Abhängigkeit in die Zentralsysteme. Durch Umweltverschmutzung, Globalisierung und Industrialisierung ist es nicht nur schwieriger alternative Lebensräume zu schaffen und zu erhalten, sondern auch das Wissen, wie die eigenen Grundbedürfnisse selbst erfüllt werden können geht verloren.
+
Was wäre eigentlich, wenn bei uns plötzlich alle Zentralversorgung einbrechen würde? Wie lange könnten wir überleben ohne die konstante Dienstleistung von Wasser-, Essen- und Stromzufuhr und was sind mögliche Überlebensstrategien?
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'''Konsumgesellschaft'''<br/>
+
Die Ambivalenz der Technik nötigt dem Berufsstand weitergehende Gedanken als bisher über sein Verhältnis zum Fortschritt ab
Konsum ist eine wichtige Säule in unserem heutigen Wirtschaftssystem und Ursache für globale und lokale Umweltprobleme und soziale Ungerechtigkeit. Dies wird heute von immer mehr Menschen erkannt. Häufig wird die Lösung für dieses Problem jedoch rein auf individualistischer Ebene betrachtet: Doch warum kann der Konsumverzicht des Individuums allein nicht Lösung für die verursachten Probleme sein? Welche gesamtgesellschaftlichen Lösungsansätze gibt es?
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'''Verschwörungstheorien'''<br/>
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Was ist Technik? Was ist Moral? Kann es moralische Grenzen zwischen Technik und Fortschritt geben? Wenn Technik ein Naturgesetz darstellt, also genauso natürlich ist wie Blatt oder Blume, dann müssen die Ingenieure, die Technik generieren und anwenden, ganz neue Fragen an ihr Tun und Lassen stellen. Einen Versuch, den Ingenieuren für solche Frage ein Fundament zu legen, ihnen eine Richtung für Antworten zu weisen, hat der Autor des folgenden Beitrages unternommen.
Geht es um Chemtrails, Holocaust Verleumdungen, oder Leugner des Klimawandels, Verschwörungstheorien so absurd sie auch klingen mögen, sind in vielen gesellschaftlichen Gruppierungen fest verankert. Mit dem neuen amerikanischen Präsident Donald Trump hat der Trend rund um „alternative Fakten“ dramatisch an Aufwind gewonnen. Woher kommen eigentlich diese Theorien, warum sind sie so populär und wie kann man sie aufdecken?
+
  
'''Was bedeutet es solidarisch zu sein?'''<br/>
+
Ich möchte versuchen, die Verantwortung zu erläutern, die wir Ingenieurinnen und Ingenieure im Bewusstsein unseres Berufes und seiner Ausübung haben. Wie sieht es aus mit Selbstständigkeit und Freiberuflichkeit? Mit freischaffenden Ingenieurinnen und Ingenieuren? Viele unter uns – auch viele Kolleginnen und Kollegen – können zwischen einem Selbstständigen, einem Freischaffenden und einem Freiberufler nicht unterscheiden. Ich selbst bin Beratender Ingenieur – also eigentlich alles drei in einem. Zuerst bin ich freischaffender Ingenieur – selbstständig bin ich auch, aber das sind neben mir viele Handwerker, Kaufleute und Firmeninhaber aller Art.
Die Grundlage des Feminismus ist der Wunsch nach Gleichberechtigung der Geschlechter. Bis heute wird die Diskussion darüber vor allem von Frauen geführt, auch weil sie es sind die vor allem von Diskriminierung betroffen sind. Die Rolle der Frau hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem gewandelt, aber was ist eigentlich mit der des Mannes? Wie kann moderne Männlichkeit abseits des Patriarchats aussehen und gelebt werden? Wo kann der Mann sich als Verbündeter zeigen und sich in den feministischen Diskurs einbringen? 
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'''Kommunikationstechnik, Social Media und Konkurrenz'''<br/>
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Und Freiberufler?
Wir stehen immer und überall, das heißt bei der Arbeit in der Uni und auch im privatleben im Wettbewerb zueinander. So vergleichen wir: Wer hat am meisten Freunde? Wer die meisten Follower? Wer hatte den aufregendsten Urlaub? Wer ist als erstes und mit dem besten schnitt mit der Uni fertig?
+
Durch Kommunikationstechnologie und Social Media wird der Wettkampf um alle diese Dinge nun immer und überall aufgetragen und es stellen sich verschiedene Fragen: Macht Kommunikationstechnologie und Social Media diesen Konkurrenzkampf schlimmer - oder vielleicht nur sichtbarer? Wird durch dieses Technologien und Plattformen auch Gemeinschaft erlebbar oder verhindert sie das tatsächliche aufeinandertreffen von Menschen und das entstehen von einem Gemeinschaftsgefühl?
+
  
'''Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate'''<br/>
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Bin ich als Ingenieur Freiberufler?
Karl Marx und Friedrich Engels beschreiben im Dritten Band des Kapitals das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate, sprich einen allmählichen Rückgang der Kapitalproduktivität. Kurz zusammengefasst heißt dies, dass nur menschliche Arbeit Wert produziert. Der Anteil der Arbeit geht jedoch immer weiter zurück und Maschinen übernehmen die Arbeit des Menschen, was immer weniger Mehrwert zur Folge hat. Was heißt das für uns und inwieweit ist diese Prophezeiung von Marx und Engels bereits Realität - oder auch völliger quatsch?  
+
  
'''Züchtung und Genmanipulation'''<br/>
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Für die Freiberuflichkeit muss man nicht selbstständig sein, aber in seinen beruflichen Entscheidungen eigenverantwortlich – was für den freischaffenden Ingenieur selbstverständlich ist – aber was gilt für alle anderen (auch angestellten) Ingenieure? Ärzte sind immer Freiberufler, auch dann, wenn sie angestellt sind. Aber ist man das auch als Ingenieur? Privatrechtlich? Strafrechtlich?
Der Mensch greift immer wieder manipulierend in die Natur ein, um bestimmte Ziele zu erreichen. Durch Züchtung werden Pflanzen und Tiere über Jahrzehnte und Jahrhunderte so selektiert, dass sie bestimmte Merkmale erfüllen. Doch heute gehen die Menschen noch einen Schritt weiter als “nur” zu züchten: Sie manipulieren die Gene direkt im Labor. Daher stellt sich die Frage: Welche Folgen hat dies für Natur und Gesellschaft?
+
Mögliche Schwerpunkte für einen Baustein mit diesem Thema können sind z.B. “Design von Mensch und Tier” oder “Folgen des Anbaus genmanipulierter Pflanzen für Umwelt und Gesellschaft ”.
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Für die Umsetzung sind u.a. mehrere Lernstationen oder Rollenspiele denkbar.
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'''Earthships'''<br/>
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Im Gegensatz zu den Ärzten gibt es für den Berufsstand der Ingenieure keine klare Berufsordnung. Nun mag man ja sagen, dass es bei Ingenieuren auch nur um Technik gehe, nicht um Menschen. Macht dies einen Unterschied aus? Können wir Mensch und Technik trennen?
Stellt Euch ein Haus vor, das sich selbst heizt, sein Wasser liefert, Essen produziert. Es braucht keine teure Technologie, recycelt seinen eigenen Abfall, hat seine eigenen Energiequellen. Es kann überall und von jedem gebaut werden, aus Dingen, die unsere Gesellschaft wegwirft.“ - Michael Reynolds (Architekt)
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Wird das die Zukunft des nachhaltigen Bauens sein? Wird diese Bauweise das Müllproblem des
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21. Jahrhunderts lösen? Wo liegen weitere Anwendungsmöglichkeiten einzelner Aspekte des Earthships eventuell sogar in der Stadt? Wo liegen Limits der Earthshipbauweise?
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'''(Neo-)Extraktivismus'''<br/>
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Was ist Technik?
Eine große Nachfrage auf dem Weltmarkt nach mineralischen, fossilen und agrarischen Rohstoffen und die damit einhergehenden hohen Rohstoffpreise führen seit Mitte der 1990er Jahre zu einem Boom des Rohstoffsektors in Lateinamerika und anderen Regionen. Der Rohstoffabbau gewinnt innerhalb der Gesamtwirtschaft an Bedeutung, während die verarbeitende Industrie zumindest relativ abnimmt. Unter dem Begriff „Neo-Extraktivismus" wird eine post-neoliberale Variante des klassischen rohstoffbasierten Wirtschaftsmodells diskutiert, in der über Rohstoffeinnahmen vermehrt Entwicklungs- und Sozialprogramme finanziert werden. Die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen der Rohstoffausbeutung bleiben jedoch bestehen. Was geschieht also beim Abbau der z.B. für unsere Energieversorgung notwendigen Ressourcen?
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'''Climate-Smart Agriculture (CSA).'''<br/>
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Wer nach der Beantwortung solcher Fragen sucht, kommt nicht umhin, sich auch den Fragen nach den Geltungsbedingungen technischer und konstruktiver Errungenschaften und nach ihren Nutzungsbedingungen zu nähern, gleichzeitig die Kriterien für die Intention ihrer Entwicklungen und für ihren Einsatz zu berücksichtigen und darüber hinaus auch die philosophischen Disziplinen und Methodiken einzubeziehen.
Das Landwirtschaftsmodell der Grünen Ökonomie - wie smart ist smart agriculture wirklich?
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CSA hat sich zum Ziel gesetzt, Produktivität zu steigern, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und Resilienz der Landwirtschaft gegenüber dem Klimawandel zu stärken. Ist dieses Konzept eine wegweisende Lösungsstrategie zur Bekämpfung von Hunger und Klimawandel oder bedient es  vorrangig die Interessen privatwirtschaftlichen Akteuren in der Düngemittel- und Saatgutindustrie? ...und welche Alternativen zum CSA-Ansatz gibt es?
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'''Recycling Überarbeitung eines Modulbausteins.'''<br/>
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Dies führt uns auch zu der Auseinandersetzung mit der Frage, was Technik wert ist und welche Daseinsberechtigung sie hat.
Ziel ist eine Sensibilisierung für die umweltschonende Entsorgung von Produkten und eine Aufklärung über verschiedenen Verfahrensschritte und Recycling –Wege.
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'''Chancen durch Demokratisierung des Internets.'''<br/>
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Das Internet ist ein Raum, der von vielen genutzt und von vielen gestaltet wird. Doch wie demokratisch sind die gestaltenden Prozesse? Wer hat welche Nutzungsräume? Welche großen “Player” haben Teil an den Entscheidungen und Prozessen? Was für Möglichkeiten könnten open-source Projekte bieten bzw. bieten sie bereits?
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Ein Baustein könnte z.B. die Handlungsräume des Internets analysieren und veranschaulichen oder sich interaktiv mit open-source auseinandersetzen.
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'''Eine neue Demokratisierung der Arbeitswelt.'''<br/>
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Die althergebrachten Formen von Demokratie in der Arbeitswelt, wie zum Beispiel Genossenschaften, Betriebsräte und Aufsichtsräte, werden immer mehr durch neue Demokratisierungen ergänzt, die direkt auf der Arbeitsebene ansetzen. Welche neue Formen gibt es? Reichen diese aus oder wo muss noch mehr geleistet werden? In welchem Verhältnis stehen sie zu den althergebrachten? Wie ist das Verhältnis dieser Form von Demokratie zum Eigentum/Eigentümer?
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'''Arbeit + Gesellschaft.'''<br/>
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Arbeit spielt in unser heutigen Gesellschaft eine zentrale Rolle und bestimmt, in Verbindung mit Besitz/Wohlstand, unseren sozialen Status und nimmt einen großteil unser Lebenszeit in Anspruch. Auch hier in der Universität sind wir - in den meisten Fällen - um uns auf spätere Jobs vorzubereiten und uns auf dem Arbeitsmarkt besser behaupten zu können.
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Doch was ist Arbeit eigentlich - und warum muss ich arbeiten? Wie möchte ich arbeiten? Welche Funktion haben eigentlich Gewerkschaften? Wie verlaufen Arbeitskämpfe?  Wie haben sich die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen historisch entwickelt? Was sind meine Rechte als Arbeitnehmer_in? Welchen strukturellen Bedingungen unterliegt das  Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit?
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In einem Baustein zu diesem Thema könnt ihr eine oder mehrere dieser Fragen mithilfe eines kreativen Konzepts  analysieren und diskutieren.
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'''Smart Leben'''<br/>
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Die Evolution der Technik ist verbunden mit der Evolution des Menschen. Den Herausforderungen, denen die Menschheit im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte ausgesetzt war, ausgesetzt ist und immer auch ausgesetzt sein wird, begegnet sie durch technische Entwicklungen. Das Verlangen des Menschen nach Überwindung des Magischen und Wunderbaren brachte ihm den Fortschritt der Technik, wie wir ihn heute kennen.
Immer wieder tauchen in den Medien Schlagwörter wie Smartcities und Smarthomes auf. Doch was steckt eigentlich hinter diesen Schlagwörtern? Was verspricht man sich von diesen Konzepten und welchen Preis ist man bereit zu zahlen?
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'''Verantwortung und Kodizes'''<br/>
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Dass sich der Mensch mit und wegen seiner technischen Erfindungen und Entwicklungen ungewollt auch die eigenen Lebensgrundlagen entzieht und zur Bedrohung seines eigenen Fortbestehens geworden ist, hat uns die Historie des 20. Jahrhunderts deutlich gezeigt. Die als technisch-wissenschaftlicher Fortschritt gefeierte Fähigkeit der Kernspaltung lehrte die Menschheit mit dem Abwurf der ersten Atombombe auch das Fürchten und führte sie an die moralischen Grenzen der Vereinbarkeit von Technik und Fortschritt. Wo die Menschheit im Mittelalter mit Glaube, Hoffnung und Mystik, in religiösen und magischen Antworten den Ausweg aus allgegenwärtigen Bedrohungen, beispielsweise der Pest, suchte, sieht sie sich heute zunehmend der technischen Illusion ausgesetzt. Einer Illusion, die, anders als erwartet, nicht nur positive Effekte nach sich zieht, sondern auch zerstörende und zerstörerische Auswirkungen annimmt (nukleare Überbewaffnung), Ungleichgewichte schafft (übermäßige Macht) sowie moralische Aspekte und das menschliche Mitgefühl außer Kraft setzen und im verkehrten Sinne Erfinder zu Opfern werden lässt, wenn wir nur an Einstein, Bohr, Oppenheimer oder an Roosevelt und Truman denken (die Urheber der ersten Atombombe). Das Beispiel der Kernphysik und der Herstellung der Atombombe beweist uns dies immer wieder. Wie aber ist Technik nun zu bewerten? Ist Technik grundsätzlich positiv? Das hat man lange so gesehen. Ein Beispiel der feierlichen Verkündung dieser zu Grabe getragenen Ideologie kann im Bericht „Technologie, Beschäftigung, Wachstum“ exhumiert werden, der am 5. Juni 1982 anlässlich der Gipfelkonferenz von Versailles von François Mitterrand den Staatschefs des Westens präsentiert wurde. Darin wird andächtig das produktivistische Glaubensbekenntnis wiederholt, wonach die Elektronik und Biotechnik zugleich die Probleme der Inflation, der Arbeitslosigkeit, des Missverhältnisses zwischen Nord und Süd und selbst der existenziellen inneren Unruhe lösen würden.  
Im vorhandenen Grundbaustein wird die Ingenieursverantwortung thematisiert. Außerdem wird auf verschiedene Kodizes eingegangen. Zur Ergänzung dieses Modulbausteins sollen noch weitergehende Informationen aus dem weiten Feld der Verantwortung im Ingenieursbereich zusammengetragen und aufgearbeitet werden.
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'''Exkursionen zu einem konkreten Themenfeld.'''<br/>
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Dagegen hat sich nun angesichts dieser produktivistischen Weltanschauung eine gegensätzliche Ideologie gebildet, nämlich die Ideologie der Wachstumsverweigerung, die grundsätzlich behauptet, die Technik sei schlecht.
Eine eintägige oder mehrtägige Exkursion zu einem Thema wird vorbereitet und durchgeführt. Mögliche Themen sind zum Beispiel: Industrielle Nahrungsmittelproduktion vom Feld und Stall bis zur Fertigpizza, Erdöl von der Raffinerie zum Endprodukt oder andere Themen, wie Holzwirtschaft, Energiewirtschaft, Stahl und Ingenieur_innen im Nationalsozialismus.
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Hier habt ihr die Möglichkeit Themenfelder, die euch besonders interessieren, mal ganz praktisch kennen zu lernen und euren Mitstudierenden näher zu bringen.
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'''Arbeit und Geflüchtete.'''<br/>
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Angesichts der offenbaren Paradoxien der Technik, die zugleich gut und schlecht, positiv und negativ ist, nötig und schädlich, tun die Produktivisten und die Wachstumsverweigerer nichts anderes, als dieses Paradoxon aus dem Weg zu räumen, indem sie die Hälfte der Realität vernachlässigen.
Arbeitsmarkt in der “Flüchtlingskrise”. Viele Menschen finden hier ein neues Zuhause, nachdem sie vor den menschenunwürdigen Zustände in ihren Heimatländern geflohen sind. Diese Menschen bilden einen Mix aus hervorragend ausgebildeten Menschen über einfachen Arbeiter_innen hin zu Ungelernten. All diese Menschen wollen und sollen hier eine menschenwürdige Beschäftigung finden. Wie können diese Arbeitnehmer_innen in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden ohne ihre Notlage für die Schaffung prekärer Beschäftigungsverhältnisse auszunutzen?
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'''Waren und Personenverkehr.'''<br/>
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Gegenüber diesen beiden extremen Standpunkten glauben einige, dem Dilemma, wie es jedes Paradox verursacht, entrinnen zu können, indem sie behaupten, die Technik sei neutral, und indem sie so tun, als sei sie gut. Melvin Kranzberg hat alle diese Auffassungen für falsch erklärt. Er sagt: „Die Technik ist weder positiv, noch negativ, noch neutral.“ Dieses Gesetz verwirft die grob vereinfachenden Schemata der positiven sowie der negativen Technik und widersteht der natürlichen Versuchung, daraus den Schluss zu ziehen, sie sei neutral.
Auf europäischer Ebene wird  z.B. das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA verhandelt. Solche Abkommen sollen den Warenverkehr über den Atlantik vereinfachen, dies vor allem durch den Abbau von Zöllen. In den Supermarkregalen finden wir Produkte aus aller Welt, die tausende von Kilometern an Bord eines Schiffes oder in einem Frachtflugzeug hinter sich gebracht haben. Die Grenzen passieren sie nur durch einzelne Stichproben unterbrochen.
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Für die Menschen aus vielen Regionen der Welt aus denen diese Produkte stammen ist die Einreise hingegen ungemein schwieriger, wenn nicht unmöglich. Besonders tragisch ist die Situation der geschlossenen Grenzen für Flüchtlinge aus den vielen Krisenregionen dieser Welt. Müsste nicht wer, der an die Verwirklichung der Menschenrecht glaubt, in erster Linie für den freien Personenverkehr aller Menschen eintreten? Müsste nicht wer freien Warenverkehr befürwortet gleichzeitig für freien Personenverkehr eintreten?
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'''DIN ISO 26000 - Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung.'''<br/>
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Aber die sogenannte Neutralität der Technik stellt heutzutage noch den zuverlässigsten ideologischen Unterbau der technischen Illusion dar. Die These der Neutralität beruht dem Anschein nach auf einer Überlegung, die gesunden Menschenverstand verrät. Wenn die Technik weder gut noch schlecht ist, dann scheint es, sie müsse infolgedessen neutral sein, und alles Übrige hinge von dem Gebrauch ab, der von ihr gemacht wird. Nun führt aber die Menschheit unaufhörlich technische Neuerungen ein, so, als handle es sich um ein Naturgesetz. Der Mensch stellt mit der gleichen natürlichen Unschuld Maschinen her, die Atombombe inbegriffen, mit der ein Vogel sein Nest baut oder ein Biber seinen Damm.  
  
Die Norm beschränkt sich nicht auf einzelne Teilbereiche verantwortlicher Organisationsführung, wie dies zum Beispiel zahlreiche Instrumente im Bereich des Umweltschutzes, der Korruptionsbekämpfung oder im Bereich der Arbeits- und Sozialstandards tun. Sie bietet damit nicht nur einen einheitlichen Referenzrahmen für die Anwender, der erlaubt auf ein Dokument zurückzugreifen anstatt aus Hunderten von Standards und Initiativen auswählen zu müssen. Mehr noch zeigt dieser Leitfaden in zusammenhängender und strukturierter Weise auf, welchen Beitrag eine Organisation zu einer nachhaltigen Entwicklung weltweit leisten kann und soll.
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Die Hypothese der ethischen Neutralität verweist die Technik in die Welt der Materie und die Ethik in die Welt der abstrakten Spekulation.
  
(“Die DIN ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung von   Organisationen“, Ein Überblick “, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2011)
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Dies deckt natürlich die ganze Gefahr der vorgegebenen Neutralität der Technik und sogenannten Unschuld der Techniker auf. Die Tatsache, dass ein Wernher von Braun den Vereinigten Staaten sein Mitwirken zur Verfügung gestellt hat, rechtfertigt seine Zusammenarbeit mit den Nazis nicht. Eine Rakete in White Sands herzustellen, ist nicht moralischer, als dies in Peenemünde zu tun, da es für das Menschengeschlecht nicht weniger gefährlich ist. Es ist auch nicht moralischer, eine Rakete zur Erforschung des Mondes als eine Rakete für militärische Zwecke herzustellen, weil man in beiden Fällen an der gleichen Technik arbeitet, von der hinterher von irgendwem zu irgendeinem Zweck Gebrauch gemacht werden kann.
  
Diese internationale Norm will kein Zertifizierungssystem aufbauen, sondern die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen diskursiv bearbeitet wissen. Bisher wird sie kaum eingesetzt - auch weil sie kaum bekannt ist. Findet in eurem Baustein eine zugängliche Darstellungs- bzw. Bearbeitungsweise der Norm, um sich sowohl inhaltlich mit ihr auseinandersetzen zu können, als auch mögliche Konflikte, Chancen und Probleme aufzuzeigen.
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Ist also Technik weder neutral, noch positiv, noch negativ, dann muss die Frage nach ihrer tatsächlichen Wesensart aufkommen.
  
'''Technik und Überwachung'''<br/>
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Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir uns in einem Paradoxon befinden, das man nicht so ohne weiteres auflösen kann.
Durch Technik wird Überwachung in einem immer größeren Maße möglich. Wir sind über Überwachungskameras im öffentlichen Raum oder auch über unsere Handys  jederzeit lokalisierbar. Hinzu kommen die Informationen, die wir über unseren Charakter, Interessen und Freundschaften bewusst oder unbewusst über die verschiedenen Social-Media-Plattformen preisgeben.  
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In diesem Baustein könnte z.B. folgende Fragen behandeln: Was sagen Befürworter und Gegner dieser Überwachungsmöglichkeiten? Wie viel gebe ich selbst von mir preis? Wer könnte ein Interesse an den Daten haben? - und gibt es Wege sich vor Überwachung zu schützen? Was verbirgt sich hinter dem chinesischen “social-credit system” - wäre ein solches System auch in Europa möglich?
+
  
'''Lernen und Lehren - im Ingenieurstudium und außerhalb'''<br/>
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Der Wert eines technischen Gegenstands ist nicht bestimmt. Die Handhabung ein und desselben Messers, je nachdem, ob es zum Brotschneiden oder zur Ermordung eines Menschen benutzt wird, nimmt eine andersartige Bedeutung an. Diese triviale Tatsache gestattet dem Messerfabrikanten nicht, zu entscheiden, ob seine Tätigkeit zulässig sei; sie verleitet ihn zu der Annahme, sein Beruf sei neutral. Nun ist er dies jedoch nicht: Der mit einem Messer bewaffnete Mensch ist nicht mehr derselbe wie der Unbewaffnete; ob er gut oder schlecht handelt, hat ein schwerer wiegendes Gewicht. Jedem Handeln wohnt eine Schwere inne, die ihm eine weitreichende Wirkung verleiht.
Was ist Lernen und Lehren? Wie lässt sich am besten Lernen und Lehren?
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Gerade im Ingenieurstudium werden meist nur Lehr-/Lernkonzepte verwendet, die auf einer reinen Wissensvermittlung beruhen, wobei der Erfolg des Lehren/Lernens durch eine Klausur am Ende geprüft wird. Doch warum ist das System so wie es ist? Was sind derzeit die (versteckten) Ziele des Bildungssystem und welche sollten es sein? Wie hat mich mein eigenes Studium an der Uni bereits in meinem Denken geprägt?
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Und - um noch einen Schritt weiter zu gehen - Wie und was wollen wir lernen? Welche anderen Ansätze werden bereits im Ingenieurstudium an anderen Hochschulen erfolgreich eingesetzt? Welche ließen sich auch auf die TU Berlin übertragen?
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'''Computerspiele und sozial-ökologische Verantwortung'''<br/>
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Um mit der technischen Illusion provisorisch fertig zu werden, kann man Jacques Elluls Formulierung annehmen: Die Technik ist ambivalent. Das bedeutet, dass sie gleichzeitig gut und schlecht ist; die gleiche technische Handlung ist nicht – je nach der Natur der Umstände – positiv oder negativ: Sie ist stets positiv und negativ zugleich, weil sie die Gesamtheit des menschlichen Wesens, das niemals ausschließlich gut oder schlecht ist, in Anspruch nimmt. Diese Formulierung bleibt selbst über die bewusste Absicht des Menschen hinaus gültig. Die besten Absichten der Welt genügen nicht, um einem technischen Akt einen positiven Wert zu verleihen, wie uns der Fall der ersten Atombombe gezeigt hat.
Eine Reihe von Computerspielen, wie z.B. Deus Ex, thematisieren Aspekte einer sozialen und ökologischen Verantwortung. Dieses Thema lässt sich beispielsweise als 60 minütige Lehr-/Lerneinheit gestalten in der zwei oder Gruppen bestimmte Szenen aus einem Computerspiel nachspielen und anschließend eine geführte Diskussion hierüber haben.
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'''Teflon und Co - Was hat die Rüstungsindustrie je für uns getan?'''<br/>
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Die Technik ist nicht nur ambivalent, sondern auch mehrdeutig. Selbst wenn man im Vorhinein weiß, dass sie zugleich gut und schlecht ist, ist es unmöglich zu erraten, welche Anwendungen sich als positiv und welche als negativ erweisen werden.
Es geistern eine Reihe von Beispielen durch die Welt, was wir alles der Rüstungs- und Raumfahrtindustrie zu verdanken haben. Ziel wäre es diese Beispiele kritisch zu betrachten im Hinblick darauf, ob sie wirklich aus der jeweiligen Industrie entstammen, ob sie wirklich nutzbringend sind und dergleichen.
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'''Umweltgerechtigkeit - Environmental Racism'''<br/>
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1955 bewies das gemeinsame Gefühl hinsichtlich der Kernphysik eine ziemlich große Meinung Naivität. Man nahm an, dass die Atombombe die schlechte Anwendung darstellt, die Kernkraftwerke dagegen die gute, da sie eine unerschöpfliche Energiequelle darstellen würde, billig und sauber. Die militärische Anwendung war natürlich schlecht, die pazifistische zwangsläufig gut.
Durch den Klimawandel wird deutlich, dass nicht nur die Verursacher eines Problems von den Folgen desselben betroffen sind - sondern dass gerade die, die bereits wenig haben, am stärksten betroffen sind.
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In einem Baustein mit diesem Thema könnt ihr verschiedene Themen (Klimawandel, Landgrabbing, Zugang zu Wasser etc.) anhand folgender Fragen bearbeiten: Wie ist die Verteilung von Umweltbelastungen auf verschiedene Orte geregelt? Welche Rolle spielen sozial-diskriminierende Faktoren für diese ungleiche Verteilung? Wer trägt Kosten und Gewinne?  Wen treffen umweltbedingte Krankheiten?
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'''Genossenschaften'''<br/>
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Die Folge der Ereignisse hat gezeigt, dass diese Wertschätzung grundfalsch war. Tatsächlich hat die Atombombe den Ausbruch eines Krieges zwischen der westlichen und der kommunistischen Welt verhindert. Dagegen hat die schlimme Katastrophe von Tschernobyl die Erzeugung nuklearer elektrischer Energie in einem Maße in Verruf gebracht, dass sie hier bei uns praktisch aufgegeben wurde: Die Kernkraftwerke wurden von nun an als das absolute Übel angesehen, ein unkalkulierbares Risiko, auch unter Beteiligung menschlichen Versagens.
Die Idee einer Genossenschaft ist der Zusammenschluss von Personen zu einem gemeinsamen Zweck, wie beispielsweise menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen. Nach der international  co-operative alliance geht es bei Genossenschaften jedoch nicht nur um den gemeinsamen Zweck als Ziel, sondern auch um den Weg dahin. Genossenschaften sich also auch auch als Wertegemeinschaften zu verstehen, welche demokratisch gemanagt werden und nachhaltigen Wohlstand und Beschäftigung schaffen wollen.
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In einem Baustein zu diesem Thema sollte das Genossenschaftsprinzip vorgestellt und Vor- und Nachteile diskutiert werden. Wie passen Genossenschaften in unser derzeitiges Wirtschaftssystem? Und warum zeigen sich Genossenschaften in Zeiten von Finanzkrisen so persistent?
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'''Exnovation - Herausforderungen und politische Gestaltungsansätze für den Ausstieg aus nicht-nachhaltigen Strukturen'''<br/>
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Indessen wird man sich bei nochmaligem Nachdenken daran erinnern, dass Tschernobyl letztlich aber mit zum politischen Zusammenbruch der Sowjetmacht geführt hat.
Dazu heißt es im Öko Institut Working Paper 3/2016:
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Politik und Forschung beschäftigen sich bevorzugt mit der „schönen Seite“ von Transformationen: dem Neuen. Doch reichen Innovationen und ihre Förderung häufig nicht aus, um etablierte nicht-nachhaltige Strukturen zu ersetzen, die ökonomisch noch funktionieren (teilweise verzerrt durch Subventionen). So reicht beispielsweise die Förderung erneuerbarer Energien nicht aus, um die klimaschädliche Kohle aus dem Strommarkt zu drängen. Der bisherige Fokus auf Innovationen sollte daher ergänzt (nicht ersetzt) werden durch eine stärkere Beschäftigung in Politik und Forschung mit „Exnovation“: dem Ausstieg aus nicht-nachhaltigen Infrastrukturen, Technologien, Produkten und Praktiken. Angesichts von Pfadabhängigkeiten und Widerständen etablierter Interessen sind politisch intendierte Exnovationen mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Es stellt sich daher die Frage nach geeigneten Maßnahmen für eine politische Forcierung, aber zugleich auch die sozialverträgliche Ausgestaltung von Exnovationsprozessen.
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Wir müssen uns also von dem allgemeinen Vorurteil trennen, der Mensch sei angesichts der Technik souverän und unveränderlich. Souverän in dem Sinne, dass er nach Belieben den Lauf der technischen Entwicklung durch Beschlüsse, Entscheidungen oder Ablehnungen bestimmen könnte. Unveränderlich in dem Sinne, dass er sich durch Bezug auf ein System von Werten bestimmen könnte, die angeboren und permanent sind, was man etwa natürliche Moral nennt.
  
== Was einen guten Baustein ausmacht ==
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Die Wirklichkeit ist sehr viel beunruhigender. Jacques Ellul hat klar gezeigt, dass Technik ein autonomes, einheitliches, allgemeines und totalitäres System darstelle, angesichts dessen der Mensch allein oder in der Gemeinschaft gegenwärtig schutzlos und ohne Hilfsmittel zugleich dasteht. Er kann den Fortschritt der Technik in dem einen oder anderen Punkt ein wenig beschleunigen, aufhalten kann er ihn jedoch nicht.
  
Aus Erfahrungswerten haben wir die folgenden Punkte herausgearbeitet, die für uns einen wirklich guten Baustein ausmachen. Wir versuchen möglichst viele dieser Aspekte in unsere Lehrveranstaltung zu integrieren. Diese Liste kann als Inspiration dienen, wie man einen Themenkomplex im Baustein mehrdimensional aufarbeiten kann.  
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Nehmen wir ein alltägliches Beispiel: Ein Ingenieur legt dem Direktor einer Computerfirma einen Vorschlag für einen neuen Computer vor. Dieser beruht auf den Grundlagen der Optoelektronik, welche die Herstellung eines tausendfach schnelleren Gerätes in einem tausendfach kleineren Volumen zu einem tausendfach geringeren Preis erlauben würde – kurz, es handelt sich hierbei um die Herstellung eines milliardenfach leistungsfähigeren Computers, verglichen mit konventionellen Geräten. Lässt sich dieses Projekt mit den verfügbaren Mitteln verwirklichen, bleibt dem Direktor wohl kaum die Wahl, es abzulehnen. Lässt er die Chance an sich vorübergehen, dann wird eine Firma der Konkurrenz sie aufgreifen und all diejenigen, die den Fortschritt verweigert haben, vom Markt ausschließen. Nimmt er das Projekt an, dann zwingt dieser Direktor die Direktoren der konkurrierenden Firmen, ebenso zu handeln wie er selbst.
  
'''Informationsaustausch''' - Es werden neue fachliche Informationen vermittelt.
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Mit einem Wort: Kein Firmenleiter hat wirklich die Freiheit einer prinzipiellen Wahl.
  
'''Methoden''' - Es sind passende Methoden für den Baustein gewählt worden.
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Das heißt: Jeder technische Fortschritt, der sich im Bereich des Möglichen befindet, wird zwangsläufig.
  
'''Reflexion''' - Die Teilnehmenden haben Zeit alleine, oder in der Gruppe die vermittelten Inhalte zu reflektieren. Sie können sich eine eigene Meinung und Haltung dazu bilden.
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Man darf also den Verdacht hegen, dass der Fortschritt der Technik ein automatischer Vorgang ist, der seine eigene Ursache darstellt, und der demnach neben seinem eigenen Anwachsen keine andere Zweckbestimmung besitzt.
  
'''Perspektivwechsel''' - Es wird gezeigt, dass jeder eine eigene Perspektive hat, die Thematik aber auch aus anderen Perspektiven betrachtet werden kann. Der Themenkomplex wird möglichst vielschichtig und differenziert aufgeschlossen. Dies kann z.B mithilfe einer TING-D Analyse passieren
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Wie können wir eine Gebrauchsanweisung für die Technik schreiben angesichts der Tatsache, dass wir uns bereits bei der Formulierung der Gebrauchsanweisung für ein einfaches technisches Gerät wie ein Telefon so schwer tun?
  
'''Intersektionalität''' - Die gesellschaftliche Position gegenüber einem Themenkomplex soll beleuchtet und die eigene Position darauffolgend hinterfragt werden: Wer hat Macht, wer ist betroffen, wer kann sich einbringen?
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Und dennoch brauchen wir die Auseinandersetzung im Umgang mit Technik. Hierin liegt die Verantwortung von uns allen, insbesondere von denen, die diese Entwicklungen vorantreiben.
  
'''Handlungskompetenz''' - Es werden individuelle und gesellschaftliche Handlungsspielräume im Bezug auf den Themenkomplex aufgezeigt, diskutiert und erprobt.  
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Diese Verantwortung führt auch uns Ingenieure zu einer vertieften Betrachtung der Technik – insbesondere unter moralischen und ethischen Gesichtspunkten. Schließlich geht alle menschliche Kultur in ihren Ursprüngen auf Technik zurück. Die Geschichte der menschlichen Kultur und Zivilisation ist immer auch Geschichte der Technik.
  
'''Transfer''' - Wie das Besprochene mit anderen Themenbereichen zusammenhängt und auf sie übertragbar ist, wird aufgezeigt, diskutiert oder selbstständig reflektiert.
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Kultur manifestiert sich nicht nur in den elementarsten Künsten wie Malerei, Plastik und Musik. Auch die Ingenieurkunst ist Spiegel des Kulturzustandes der Gesellschaft. Technik und Kunst haben den Menschen von Anbeginn begleitet. Sie haben die gleiche Wurzel: die schöpferische, gestaltende Phantasie der Menschen. Die Ingenieurkunst ist (wie auch die Heilkunst) eine der ältesten nützlichen Künste. Das Ingenium, die geistig-schöpferische Kraft, war schon immer Grundlage und Antrieb dieser Kunst. Die beachtliche Technologie-Beschleunigung ist dabei, das ethische Urteilsvermögen zu überholen. Pluralisierung und Globalisierung ethischer und moralischer Werte zusammen mit dem Blackbox-Charakter der Technik verunsichern den Menschen bis zur Lebensangst. Die zunehmende Differenz zwischen Expertenwissen und Laienwissen erfordert Vertrauen – insbesondere auch in die ethische Integrität des Ingenieurberufes.
  
'''Demokratisierung''' - Im Seminar wird Gesellschaft und Demokratie aktiv gelebt. Die Teilnehmenden sind die ganze Zeit eingebunden und arbeiten interdisziplinär zusammen. Sie partizipieren, kooperieren, treffen Entscheidungen miteinander und gestalten das Seminar.
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Ethik ist verbunden mit Technik, mit Wissenschaft und Wirtschaft. Gemeinhin wird Ethik definiert als Theoretisierung von Moral und die Moral als Regulativ des menschlichen Zusammenlebens. Ethik und Moral scheinen dabei der Preis zu sein, den moderne Industriestaaten zu zahlen bereit sind. Erst ernsthafte Krisen, wie wir sie jetzt in der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder erleben, weisen der Menschheit die Grenzen von Ignoranz und Rücksichtslosigkeit auf. Damit beweist sich die geschichtliche Erfahrung – sobald moralische Selbstverständlichkeit entschwindet, regt sich Ethikbedarf. Die Zweifler werden mehr, und auch in unseren Industriestaaten gewinnen Ansprüche an Moral und Ethik, an Anstand und damit an Wohlergehen für alle neue Tragweite.
  
== Anrechenbarkeit des Seminars ==
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Uns Ingenieuren sind die Aspekte von Ethik und Moral in Ausübung unseres Berufes täglich allgegenwärtig. Wir entscheiden über Entwicklungen, Planungen und Berechnungen, und damit über die Anwendung und Sicherheit von Maschinen und von Bauwerken – eine verantwortungsvolle Aufgabe, wie nicht nur wir finden, und eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen. Unter Berücksichtigung des technisch Machbaren finden Grundsätze einer (universalen) Technik-Ethik in Forschung und Lehre wie in der Praxis bei Ingenieurinnen und Ingenieuren globale Zustimmung. Die Ingenieure Europas haben sie in eigener Form in der Dresdner Deklaration anlässlich des Europäischen Ingenieurkammertages 1998 in Dresden längst beschlossen. Ich zitiere Ihnen gerne aus diesem Kodex die folgenden Punkte, denen sich die Ingenieurinnen und Ingenieure unter anderem verschrieben haben:
  
Als Wahlpflichtfach ist Blue Engineering im Bachelor Maschinenbau, Verkehrswesen,  Informationstechnik im Maschinenwesen, Wirtschaftsingenieurwesen und Informatik anrechenbar. Zusätzlich ist eine Belegung im Integrationsbereich des Bachelors Wirtschaftsingenieurwesen möglich. Auf Grund eines schriftlichen Antrags könnt ihr das Seminar auch in vielen anderen Studiengängen als Wahlpflichtfach belegen. Wir informieren euch hierzu sehr gerne. Und natürlich kann das Seminar als freie Wahl in allen Studiengängen belegt werden.
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- Europas Ingenieure erbringen ihr Werk in Verantwortung vor der Menschheit, der Umwelt und sich selbst. Ihr Schaffen dient dem Wohl und der Fortentwicklung der Gesellschaft in diesem Jahrtausend.  
  
== Die Blue Engineering Projektwerkstatt ==
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- Europas Ingenieure achten die Leistung ihrer Berufskollegen. Sie messen ihre Kräfte in einem fairen Wettbewerb der Qualität und Effizienz zum Vorteil des Verbrauchers und zum Schutz der Umwelt.
  
Die Projektwerkstatt bringt alternative Lehrinhalte und Formate an die Universität. Mit der Arbeit der Projektwerkstatt, sollen Menschen dazu ermutigen und befähigt werden, ihr Umfeld kritisch zu hinterfragen und mitzugestalten.
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- Europas Ingenieure nehmen in der Gegenwart und in der Zukunft aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft teil. Durch Innovation und Kreativität fördern sie Ingenieurkunst und Baukultur. Sie geben sich eine Ordnung, die ihren hohen ethischen Ansprüchen genügt.
  
Die Projektwerkstatt organisiert ihre Projekte über ein wöchentliches Treffen jeden Donnerstag von 16-18 Uhr im W305. Menschen, die Lust haben, gemeinsam sozialökologische Verantwortung an der Universität zu thematisieren und einen Transformationsprozess vorranzutreiben sind ersehnt. Für die Mitarbeit in der Projektwerkstatt können ebenfalls sechs Leistungspunkte erworben werden.
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Diese Grundsätze, angemessen auch rechtlich auf die Basis einer Berufsordnung für Ingenieure zu stellen, bleibt unser Ziel. Uns unserer besonderen Verantwortung gegenüber der Gesamtheit der Gesellschaft, der Menschheit und der Umwelt bewusst, denken wir Ingenieure in diesem Zusammenhang auch über einen Berufseid beziehungsweise ein Gelöbnis für unseren Berufsstand nach (wie bei den Ärzten der hippokratische Eid). In der hohen Verantwortung, in der Ingenieure stehen, ist ihnen auch die eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnis einzuräumen – gemäß einer wirklichen Freiberuflichkeit für möglichst alle Ingenieurinnen und Ingenieure! In diesem Sinne kann allein die Umsetzung einer Berufsordnung das bewusste eigenverantwortliche Handeln der Ingenieurinnen und Ingenieure zufriedenstellend regeln.
  
Mehr Informationen zu der Projektwerkstatt findest du [[TUB:PW:Start|hier]], oder du schickst eine Email an: berlin@blue-engineering.org
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Literatur:
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* Neirynck, J.: Der göttliche Ingenieur – die Evolution der Technik; expert verlag GmbH, Renningen
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*Wendeling-Schröder, U., Meihorst, W., Liedtke, R.: Der Ingenieur-Eid – ethische, naturphilosophische, juristische Perspektiven; scientia nova, Brette
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*Zimmerli, Chr.: Ethik in der Praxis – Wege zur Realisierung einer Technikethik; Lutherisches Verlagshaus, Hannover
  
== Weitere allgemeine Informationen ==
 
  
<div class="row">
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===3. Fallbeispiele - Verantwortungskonflikte aus der Berufspraxis===
<div class="col-md-12">
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Während des Seminars werdet ihr in Kleingruppen Fallbeispiele besprechen, die Verantwortungskonflikte von Ingenieur_innen beschreiben. Es gibt 6 verschiedene Fallbeispiele. Welches du lesen sollst, leitet sich aus dem Anfangsbuchstaben deines Nachnamens ab. Nimm dir Zeit für das Fallbeispiel, du wirst es im Seminar anderen Studierenden vorstellen, die es noch nicht kennen.  
<div class="bs bs-tabs">
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        <ul id="myTab" class="nav nav-tabs nav-justified nav-tabs-primary" style="margin:0;">
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            <li class="active" data-toggle="tab"> [[NavTabText#sprechstunde|Sprechstunde]]</li>
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            <li data-toggle="tab"> [[NavTabText#feedback|Feedback]]</li>
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            <li data-toggle="tab"> [[NavTabText#kommunikation|Kommunikation]]</li>   
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            <li data-toggle="tab"> [[NavTabText#begleitung|Wissenschaftliche Begleitung]]</li>   
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            <li data-toggle="tab"> [[NavTabText#fotografien|Hinweis zum Fotografieren.]]</li>   
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        </ul>
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</div>
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<div id="myTab" class="tab-content">
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Arbeite folgende Punkte heraus:
            <div class="tab-pane active" id="sprechstunde">
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*Welche Werte spielen eine Rolle und in welchem Verhältnis stehen sie?
                <p style="text-align:justify;">Sprechstunden finden nach Vereinbarung direkt im Anschluss an das Seminar statt. </p>
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*Welche Verantwortungskonflikte entstehen?
            </div>
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*Welche Maßnahmen und Probleme liegen vor?
            <div class="tab-pane" id="feedback">
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                <p style="text-align:justify;">Wir sind ein junges Team, daher sind wir für jeden Verbesserungsvorschlag dankbar. Scheue Dich also nicht uns gegenüber konstruktive Kritik bezüglich des Seminars zu äußern. Während des Seminars gibt es darüberhinaus auch mehrere formelle Feedback-Runden. </p>
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            </div>
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            <div class="tab-pane" id="kommunikation">
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                <p style="text-align:justify;">Abgesehen von wenigen Ausnahmen verläuft die gesamte Kommunikation über unserer Internetseite und über eine regelmäßige Email von uns. </p>
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            </div>
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            <div class="tab-pane" id="begleitung">
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                <p style="text-align:justify;">Das Seminar wird wissenschaftlich begleitet. Zu diesem Zweck werden die erbrachten Leistungen anonymisiert, ausgewertet und Fragebögen eingesetzt. </p>
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            </div>
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            <div class="tab-pane" id="fotografien">
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                <p style="text-align:justify;">Während der Arbeitsphasen werden gelegentlich Fotos der gesamten Gruppe/des Seminarraums gemacht. Einzelpersonen und kleine Gruppen werden nicht fotografiert. Die Fotos werden nur im Rahmen von Vorträgen/Veranstaltungen/Veröffentlichungen von Blue Engineering genutzt.</p>
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</div>
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== Die Termine im Überblick. ==
 
  
=== 1. Sitzung - Gemeinsamer Beginn ===
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'''Fallbeispiele'''
In der ersten Sitzung geht es darum miteinander ins Gespräch über Voraussetzungen von Technik zu kommen sowie Technik zu bewerten. Es gibt Informationen zum Seminar und gleichzeitig bekommt man einen guten inhaltlichen und methodischen Einblick, was in den kommenden Wochen zu erwarten ist und von den Teilnehmenden erwartet wird.
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*Fallbeispiele als PDF einfügen (an Teilnehmendenzahl anpassen und auf die Studierenden verteilen) -
  
=== 2. Sitzung - Plastik ===
 
Ein Ziel von Blue Engineering ist es, Wissen auf möglichst verschiedenen Wegen zu vermitteln. Die Kombination aus Baustein, Wissensspeicher und E-Learning zeigt die vielfältigen Facetten von Plastik auf.
 
  
=== 3. Sitzung - Themen und Gruppenfindung und TING-D ===
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'''1) Kongresshallen-Fall'''
Inhaltlich gibt es einen Einblick in das Wechselverhältnis von Technik, Individuum, Natur, Gesellschaft und Demokratie (TING-D). Im zweiten Teil der 3. Sitzung werden dann die Semesterprojektgruppen gebildet. Dazu werden eigene Vorschläge von Teilnehmenden in Form von 1 minütigen Elevator Pitches vorgestellt.
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Der promovierte Naturwissenschaftler und Ingenieur C. arbeitet in einem bedeutenden Bauunternehmen als Entwicklungschef für Spannbeton-Konstruktionen, die besondere Sicherheitsvorkehrungen bei Errichtung und Wartung erfordern. Da in der Fachwelt bereits einzelne Schadensfälle bekannt geworden sind, drängt C. in seinem Unternehmen darauf, bei der Errichtung einer neuen Flugzeughalle geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Im Hinblick auf entstehende Mehrkosten wird dieser Vorschlag abgelehnt.
  
=== 4. bis 6. Sitzung - Drei rotierende Bausteine und Peer-to-Peer-Feedback ===
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Tatsächlich treten nach einiger Zeit am Tragwerk der Halle Schäden auf, die erhebliche Gefahren für Menschenleben und Sachwerte heraufbeschwören. Diese Gefahren lassen sich zwar durch umgehende Reparatur beheben, doch kommt es zu Auseinandersetzungen über die Schadensursache, die auf höchster Ebene geführt werden. In diesen Verhandlungen erinnert C. die Geschäftsleitung an seine rechtzeitigen Warnungen, die ein sorgfältigeres Vorgehen gefordert hatten, aber nicht beachtet worden waren.
An diesen Terminen führt das Seminarteam die Grundbausteine (Technik als Problemlöser, Verantwortung&Kodizes, Das Produktivistische Weltbild) rotierend durch. Zusätzlich geben sich die Semesterprojektgruppen gegenseitig Feedback zu ihren Arbeiten.  
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=== 7., 8. und 10. Sitzung  - Baustein Durchführung von den Teilnehmenden ===
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Seit diesem Vorfall bestehen Spannungen zwischen der Geschäftsführung und C., die das Arbeitsklima spürbar belasten. Gleichwohl macht C. die Geschäftsleitung in den Jahren 1973 und 1974 mehrfach mündlich und schriftlich darauf aufmerksam, dass bei der Berliner Kongresshalle, die von seinem Unternehmen in Arbeitsgemeinschaft mitgebaut worden war, ebenfalls ein größerer Schadensfall zu befürchten sei, und er legt konkrete Vorschläge vor, den möglichen Schaden mit vorbeugenden Maßnahmen zu verhindern. Wiederum lehnt es die Geschäftsleitung ab, diesen Vorschlägen zu folgen, und verstärkt ihre Bemühungen, C. zum Ausscheiden aus dem Unternehmen zu bewegen. „In dieser Situation wäre mir nur noch der Weg zum Staatsanwalt geblieben. Darin sehe ich das Problem des angestellten Wissenschaftlers“.
Die Semesterprojektgruppen führen jeweils einen bestehenden Baustein durch und reichen im Anschluss eine Kommentierung ein. Die Auswahl der Bausteine erfolgt in der 04. Sitzung. Näheres hierzu im Abschnitt Baustein Durchführung.  
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=== 9. Sitzung - Arbeit, Gesellschaft und Gewerkschaft ===
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Aber auch ohne dass C. einen solchen Schritt unternommen hätte, wird er schließlich nach langjähriger Tätigkeit „unter Verzicht auf alle Ehren für seine nachweislichen Verdienste um den Konzern, aber versehen mit einer großzügigen finanziellen Regelung, zwangsweise mittels eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs in den vorzeitigen Ruhestand entlassen“.
Die Gewerkschaftssekretärin der IG-Metall kommt als Expertin ins Seminar. Mit ihr gemeinsam diskutieren wir über das Thema Arbeit und wie diese gestaltet werden kann.
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=== 11. Sitzung - Gender, Diversity und Technik ===
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1980 tritt der von C. vorausgesagte Schadensfall tatsächlich ein, wobei, neben einem Sachschaden in Millionenhöhe, eine Person zu Tode kommt und mehrere Personen verletzt werden. In den nachfolgenden Untersuchungen stellt C. seine detaillierten Fachkenntnisse den damit befassten Institutionen zur Verfügung. Nach Abschluss der Untersuchung wird der Schadensfall gegenüber der Öffentlichkeit mit technischem Versagen erklärt.
Neben einem Gastvortrag, welcher für das Thema sensibilisieren soll, wird von drei Semesterprojektgruppen jeweils der Gundbaustein "Gender, Diversity und Technik" durchgeführt.
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=== 12. bis 14. Sitzung - Präsentation der Semesterprojekte ===
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In dieser Zeit bespricht sich C. vertraulich mit befreundeten Fachkollegen, die ihn aber zu weitergehenden Schritten nicht ermuntern, da der Schadensfall damit nicht rückgängig zu machen wäre. Auch persönliche und sachliche Gründe sprechen dagegen: „Es ist nicht jedermanns Sache, als ein Michael Kohlhaas der Hochtechnologie in die Geschichte einzugehen. Mit den Medien nicht unerfahren, will ich nicht, dass diese aus meinem Fall Folgerungen herleiten, die dieser Konstruktionsweise schaden“. „Andererseits möchte ich die [...] mitzuteilenden Umstände nicht in Vergessenheit geraten lassen“. „Später habe ich viel darüber nachgedacht, ob mein Verhalten in den wichtigen Fällen [...] richtig gewesen ist. Und ich habe überlegt, wie ich mich meinem Gewissen gegenüber noch anders hätte verhalten können“.
Dies ist die Generalprobe und erste öffentliche Präsentation der eigenen Semesterprojekte. An diesen Tagen besteht Anwesenheitspflicht.
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=== 15. Sitzung - Gemeinsamer Abschluss ===
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Heute ist C. der Ansicht, dass in der damaligen Situation nur eine Ethik-Kommission hätte helfen können, die Schadensfälle zu verhüten. Der bestinformierte Fachmann, in der Regel der für ein Projekt verantwortliche Ingenieur, müsste sich vertraulich, gegebenenfalls sogar anonym, an eine solche Institution wenden können, damit, ohne dass der betreffende
Rückblick auf das gesamte Semester und Markt der Möglichkeiten, auf dem sich die verschiedenen Semesterprojekte vorstellen.
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=== Letzter Freitag im Juli/Februar - Finale Dokumentation ===
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Ingenieur in berufliche Schwierigkeiten gerät, die erforderlichen Vorkehrungen rechtzeitig und wirksam getroffen würden.
Abgabe der finalen Dokumentation der Semesterprojekte.
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Als 1991 der Präsident der Bundesanstalt für Materialprüfung auf einem Kongress des Vereins Deutscher Ingenieure in seinem Vortrag den Einsturz des Kongresshallen-Dachs aufgreift und erklärt, äußere Anzeichen für das drohende Versagen wären „durchaus als solche erkannt worden, wenn ein sachkundiger Beobachter bewusst nach ihnen gesucht hätte“, schildert C. ihm in einem offenen Brief die tatsächlichen Hintergründe; der Empfänger beantwortet diese Schilderung mit der Erklärung, dass er dazu nicht Stellung nehmen könne.
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Wenig später will C. von einem Personalberater, der allwöchentlich in den VDI-Nachrichten Fragen zur Ingenieurkarriere beantwortet, wissen, wie er sich in jener Situation hätte verhalten sollen. „In Extremsituationen wie jener“, lautet die Antwort, „lässt unser derzeitiges Führungssystem den Angestellten mit seinem Problem allein. Er steckt in einer echten Zwickmühle“. Allein mit einem Firmenwechsel und einem dabei ausgeübten diskreten Druck auf den bisherigen Arbeitgeber, so heißt es dann weiter, könne man eventuell dessen Haltung ändern, ohne die eigene Karriere zu gefährden; ob dieser Weg im konkreten Fall gangbar gewesen wäre, wird offen gelassen.
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Dieser Konflikt besteht darin, dass fachlich gebotene zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen gegen den Vorrang der Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte nicht durchzusetzen sind. Obwohl sich der betreffende Ingenieur mit großem persönlichen Engagement firmenintern für die Schadensverhütung einsetzt, werden seine Bedenken nicht berücksichtigt. Überdies muss der Ingenieur einen schwerwiegenden Nachteil für seine berufliche Karriere hinnehmen und kann trotzdem den vorhersehbaren Schaden nicht verhindern.
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Eine Arbeitsverweigerung wäre in diesem Fall überhaupt nicht in Betracht gekommen, weil ja nur zusätzliche Aktivitäten den Konflikt hätten beheben können. Einzig die Alarmierung der Öffentlichkeit hätte etwas bewirken können, doch C. kann sich aus Rücksicht auf das Ansehen seines Fachs und die Verbundenheit mit seinen Fachkollegen lange Zeit nicht dazu durchringen. Überdies: „Wer als leitender Angestellter seinen Arbeitgeber bei der Staatsanwaltschaft anzeigt, ist nicht nur in diesem Unternehmen ganz schnell draußen, ihn nimmt auch ein anderes kaum wieder auf“.
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Als langfristige Folge jener Ereignisse, die den Betroffenen noch immer belasten, ist festzuhalten, dass er sich schließlich doch an die Fachöffentlichkeit wendet und heute für institutionelle Lösungen eintritt, die, wenn es sie seinerzeit schon gegeben hätte, ihn in seinem Gewissenskonflikt hätten unterstützen können.
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'''2) Kläranlagen-Fall'''
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Der Diplomingenieur D. arbeitet seit Anfang der 1970er Jahre bei einem großen Unternehmen der chemischen Industrie als Spezialist für die Reinigung von Industrieabwässern. Unter anderem wirkt er an der Projektierung einer werkseigenen Kläranlage mit. D. hält die von der Betriebsleitung favorisierte konventionelle, einstufige Kläranlage für unzulänglich und interveniert mehrfach zugunsten einer mehrstufigen biologischen Anlage. Gleichwohl wird die Kläranlage 1975 in der ursprünglich geplanten Form in Betrieb genommen.
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1982 legt D. seinen Vorgesetzten eine Studie vor, die nachweist, dass eine der Kläranlage vorgeschaltete Warnanlage, die überraschende Giftstöße rechtzeitig anzeigen soll, in einer Großanlage nicht funktionieren kann. Als es im Mai 1984 in der Kläranlage zu einer empfindlichen Betriebsstörung kommt, stellt sich heraus, dass das von D. beanstandete Warngerät versagt hat; er selbst jedoch wird von einer Dienstbesprechung über den Störfall ausgeschlossen und später in eine andere Abteilung versetzt.
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In der Zwischenzeit hat D. über den Vergleich von Kläranlagen-Typen eine Dissertation verfasst, die von einer Technischen Universität angenommen wird. Obwohl ihm schon 1983 von einem Vorgesetzten Fachpublikationen zur Abwasserreinigung verboten worden waren, veröffentlicht er dann doch, ohne eine Genehmigung einzuholen, Auszüge aus seiner Dissertation sowie wissenschaftliche Aufsätze in Fachzeitschriften. 1986 wird ihm fristlos gekündigt, weil er verbotswidrig dienstliche Erkenntnisse publiziert habe.
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D. klagt gegen diese Kündigung und erzielt 1989 einen arbeitsrechtlichen Vergleich, in dem die einvernehmliche Kündigung zum 31. Dezember 1986 und eine Abfindungszahlung in Höhe von 100.000 DM an D. vereinbart werden. Als Beratender Ingenieur und als Hochschullehrer hat D. seine berufliche Tätigkeit fortsetzen können.
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Auch in diesem Fall werden fachlich begründete Warnungen eines Mitarbeiters von den Vorgesetzten aus wirtschaftlichen Gründen nicht akzeptiert. Das Engagement des Ingenieurs ist so stark, dass er über eine wissenschaftliche Qualifizierung parallel zur Berufsarbeit die Seriosität seiner Bedenken unter Beweis stellt. Als der Ingenieur seine Interventionen im Unternehmen dementsprechend fortsetzt, wird er durch Versetzung in ein anderes Aufgabengebiet kaltgestellt. Als er seine kritischen Einsichten der Fachöffentlichkeit mitteilt, verliert er endgültig seinen Arbeitsplatz.
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In den arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen – insgesamt waren es vierzehn Prozesse – hat das Recht auf die Freiheit der wissenschaftlichen Veröffentlichung natürlich eine beträchtliche Rolle gespielt und ist schließlich auch Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde geworden. Diese Beschwerde ist 1988 abgewiesen worden, zum einen, weil sie bestimmten prozeduralen Anforderungen nicht genügt, zum anderen aber auch, weil die Verfassungsrichter folgende erstaunliche Auffassung vertreten: „Die Verpflichtung, vor einer Veröffentlichung die Zustimmung der Beklagten des Ausgangsverfahrens“ (des Arbeitgebers) „einzuholen, unterbindet aber noch nicht das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Veröffentlichung von Forschungsergebnissen“. Dass die Genehmigungspflicht doch nur Sinn macht, wenn die Genehmigung auch – verfassungswidrig! – verweigert werden kann, und somit eine verfassungswidrige Tendenz in sich selbst besitzt, scheint dem Bundesverfassungsgericht nicht klar geworden zu sein. Dass die Genehmigungspflicht überdies eine vorauseilende Selbstzensur des abhängig beschäftigten Forschers begünstigt und auf diese Weise unmittelbar in die Forschungsfreiheit eingreift, trägt auch nicht gerade zu ihrer Verfassungsverträglichkeit bei.
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'''3) Reaktormessgeräte-Fall'''
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Der Elektronik-Ingenieur H. ist bei einem namhaften Unternehmen des Kernreaktorbaus beschäftigt und entwickelt Messinstrumente und Messsysteme für diese Reaktoren. Als er seine Tätigkeit bei dem Unternehmen aufnimmt, glaubt er an die Sicherheit der Atomenergietechnik und ist davon geradezu fasziniert.
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Doch bereits nach einem halben Jahr Arbeitstätigkeit wachsen seine Zweifel an der Zuverlässigkeit der Sicherheitseinrichtungen bei Kernkraftwerken aufgrund konkreter Erfahrungen mit Isoliermaterial und Formveränderungen bei einzelnen Komponenten der Messeinrichtungen. H. äußert seine Sicherheitsbedenken gegenüber der Firmenleitung schriftlich und erbittet ein Gespräch. Dieses Gespräch findet auf allerhöchster Ebene schon einen Tag später statt.
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Zunächst äußerst man sich positiv gegenüber seinem Engagement und gibt H. zu verstehen, dass man den Sicherheitsbedenken sofort nachgegangen sei. Es bestehe jedoch kein Grund zur Beunruhigung, da die möglichen Messfehler durch andere Sicherheitssysteme aufgefangen würden. Der Fachmann H. zeigt sich jedoch wenig beeindruckt von dieser Erklärung, und von der Geschäftsleitung gefragt, was er denn „tun würde“, antwortet er: „Alle in Frage kommenden Steckverbindungen überprüfen und austauschen“.
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Daraufhin rechnen die Vertreter der Geschäftsleitung vor, welchen Kostenschub eine solche Aktion verursachen würde, ganz zu schweigen davon, dass die Medien eine solche Umtauschaktion in der Öffentlichkeit ausschlachten und dadurch den Geschäften des Unternehmens schaden würden. Vorsorglich droht man H. gerichtliche Schritte für den Fall an, dass er sich mit seinen Bedenken an die Öffentlichkeit wendet. Das weitere Gespräch verläuft ergebnislos.
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H. wendet sich daraufhin an den Technischen Überwachungsverein und an die Öffentlichkeit. Das Unternehmen reagiert sofort mit der fristlosen Entlassung von H. und mit einer einstweiligen Verfügung, die eine Geldbuße von einer halben Million DM androht, falls H. weiterhin behauptet, die Sicherheit der Atomkraftwerke sei gefährdet. Bei der Kündigung wird dem Ingenieur von seinen bisherigen Arbeitgebern bedeutet, dass er im näheren Umkreis des Firmensitzes keinen Arbeitsplatz mehr zu suchen brauchte.
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Die einstweilige Verfügung hält jedoch der gerichtlichen Überprüfung nicht stand; das Gericht gesteht H. zu, er könne öffentlich erklären, dass Reaktoren des betreffenden Unternehmens extrem gefährdet sind.
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H. ist seit seiner Entlassung ein begehrter Referent. Aufgrund seiner „erzwungenen Arbeitspause“ nutzt er jede Gelegenheit, um seine Erkenntnisse mitzuteilen. Falls der von ihm befürchtete große Atomunfall eintreten sollte, will er sich nicht später nachsagen lassen, dass er es gewusst, aber verschwiegen habe. Seine berufliche und wirtschaftliche Zukunft ist völlig offen.
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Wiederum besteht der Konflikt darin, dass die Sicherheitsbedenken eines verantwortungsbewussten Ingenieurs von der Unternehmensleitung zurückgewiesen werden, weil diese zusätzlichen Kosten und mögliche Ansehensverluste in der Öffentlichkeit scheut. Da der Betroffene die Flucht in die Öffentlichkeit wagt, wird er mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bestraft. Von arbeitsrechtlichen Schritten ist nichts bekannt, doch immerhin kann er vor Gericht die Freiheit der fachlichen Meinungsäußerung erstreiten.
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'''4) Ford Pinto-Fall'''
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Die Ford Motor Company stand Ende der 60er Jahre auf dem amerikanischen Markt in scharfem Wettbewerb mit VW und dem damals neu herausgekommenen Golf. Um einen dazu analogen Kleinwagen auf den Markt zu werfen, wurde der Ford Pinto übereilt entwickelt; so wurden z.B. die Werkzeugmaschinen für die Produktion parallel zum Bau des Prototyps gebaut. Tests zeigten bereits am Prototyp einen gefährlichen Fehler: Ein Aufprallunfall mit etwas mehr als 40 km/h verursachte das Bersten des Benzintanks und führte zum Brand des Fahrzeugs. Eine vierzig malige Wiederholung des Tests bestätigte das Ergebnis. Als Lösung des Problems wurde von den Ford-Ingenieuren eine Plastikpufferung vorgeschlagen, deren Kosten für Material und Einbau bei $ 11 pro Wagen betragen hätten. Das Management musste über diese Modifikation und deren Kosten entscheiden. Bei der folgenden Kosten-Nutzen- Analyse ging man davon aus, dass ein Menschenleben nach Berechnung des Bundesamts für Sicherheit des Landstraßenverkehrs (National Highway Traffic Safety Administration) versicherungstechnisch damals $ 200 000 im Falle eines Regresses wert war und man schätzte die Zahl der möglichen Todesfälle, Verletzungen und verbrannten Autos sowie deren Kompensationskosten ab (vgl. Tab. 1).
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Aus dieser Vergleichsrechnung fällten die Manager die Entscheidung, die Konstruktion zu belassen und den Plastikpuffer nicht einzusetzen. Weitere Versuche der Ingenieure einer Verbesserung stießen auf Widerstand des Managements. Dem damaligen Chef der Ford Company, Lee Iacocca wurde der Spruch nachgesagt: „Safety doesn’t sell“.
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Als Hintergrund zur Beurteilung ist es wichtig zu wissen, dass es zur Zeit der Produktion des Pintos auf Bundesebene in den USA noch keine Sicherheitsnormen für Benzintanks gab. Es wurde zwar 1968 ein Sicherheitsgesetz für industrielle Produkte verabschiedet, was Henry Ford als eine Einmischung der Regierung in die inneren Angelegenheiten des freien
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Unternehmertums bezeichnete. Die Einführung einer Sicherheitsnorm für Benzintanks war für 1970 geplant, scheiterte aber an der erfolgreichen Lobbyarbeit von Ford ganze acht Jahre lang. In dieser Zeit produzierte Ford 8 Millionen Pintos. Allerdings sprachen sich die Brandunfälle mit den Pintos herum und Ford wurde durch den öffentlichen Druck genötigt, Abhilfe zu schaffen. Heute sind Rückrufaktionen bei Automobilfirmen zwar nicht sehr beliebt, aber sie stellen eine Notwendigkeit für das Image und die Integrität eines Unternehmens dar. Ein Fall wie Pinto würde eine Automobilfirma heute vermutlich durch den hervorgerufenen Boykott der Kunden nicht überleben.
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T. war damals im Management bei Ford und mitverantwortlich für die Entscheidung gegen die Plastikpufferung. Seine Bedenken wurde überstimmt und er fand sich damit ab. Doch nach der Häufung der Brandunfälle, meldet sich sein Gewissen erneut. Ihn plagt die Frage, ob er etwas hätte ändern können und wie er sich hätte verhalten sollen.
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'''5) Irak-Fall'''
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Der Inbetriebnahme-Ingenieur L. wird von seiner Firma, einem im Anlagenbau führenden deutschen Unternehmen, im Sommer 1989 nach Bagdad (Irak) geschickt, um in einem Stahlwerk zur Produktion von Baustahl und anderen Qualitäten eine Teilanlage in Betrieb zu nehmen. Er fungiert dort als Baustellenleiter gegenüber dem unmittelbaren Kunden seines Unternehmens, einem deutschen Firmenkonsortium, das die Gesamtanlage konstruiert hatte und die Gesamtbaustellenleitung gegenüber dem Endkunden zu vertreten hat; der Endkunde ist das Nassr State Enterprise for Mechanical Industries, ein Unternehmen des irakischen Staates.
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Vor der Reise macht sich L. zunächst keine Gedanken über den eigentlichen Zweck des Stahlwerks, auch wenn er sich aus bestimmten Unterlagen und Äußerungen im Stammhaus schon einiges hätte zusammenreimen können. Auch verdrängt er kritische Fragen aus seinem Bekanntenkreis, teils aus Loyalität seiner Firma gegenüber, teils aus Unsicherheit und Angst hinsichtlich möglicher Folgen für seine Person. schließlich geben die ihm bis dahin zugänglichen Unterlagen keinen konkreten Anlass, am erklärten Zweck der Anlage zu zweifeln. Im Irak eingetroffen, muss L. schon in den ersten Wochen feststellen, dass der Anlagenaufwand, wenn lediglich Baustahl produziert werden sollte, weit übertrieben wäre. Anhand von Aufstellungsplänen, bereits gelieferten Anlagenteilen, Kollegengesprächen und aufgrund des ganzen militärischen Ambiente gewinnt er den Eindruck, dass die Anlage mit Baustahl nichts zu tun hat. Aus diesen Fakten sowie aus Kundenäußerungen und vorgefertigten Mustern muss er schließlich erkennen, dass in diesem Stahlwerk einzig und allein Kanonenrohre aller Kaliber und Bauteile für militärische Kampffahrzeuge hergestellt werden sollen.
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L. empfindet, wie sich nach dieser Erkenntnis mehr und mehr sein Gewissen regt. Er führt darüber nächtelange Gespräche mit seinen Arbeitskollegen – bei denen er allerdings wenig Verständnis findet – und lange Telefongespräche mit seinen Angehörigen. Nach einem kurzen Urlaub in Deutschland gelingt es ihm, das Problem trotz seiner täglichen Offensichtlichkeit eine kleine Weile zu verdrängen. Doch dann kommt ihm der Konflikt wieder umso stärker zu Bewusstsein und belastet ihn schließlich derart, dass er zu konzentrierter Ingenieurarbeit nicht mehr in der Lage ist; alle verantwortlichen Arbeiten müssen von seinen Arbeitskollegen übernommen werden, während er fast nur noch das Baustellentagebuch zu führen imstande ist.
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In dieser Situation wendet er sich telefonisch an seinen Vorgesetzten in Deutschland und beanstandet, dass der tatsächliche Zweck der Anlage mit dem in seinem Arbeitsvertrag genannten Zweck nichts zu tun habe. Der Vorgesetzte erklärt, die Firma habe lediglich die Teilanlage zu liefern; die Gesamtanlage hätte sie nicht konzipiert und somit auch deren Endzweck nicht zu vertreten. L. bittet um sofortige Ablösung, die ihm mit der Maßgabe zugesagt wird, dass er noch einige Tage bis zu einem bestimmten Zwischenabschluss seiner Arbeit auf der Baustelle verbleibt.
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Nach rund viermonatiger Tätigkeit im Irak kehrt er nach Deutschland zurück, um von seinem Vorgesetzten sogleich Vorhaltungen gemacht zu bekommen, in denen das Wort „Arbeitsverweigerung“ fällt. Zwei Wochen später verlangt der Vorgesetzte von L., erneut eine Aufgabe auf der irakischen Baustelle zu übernehmen, da ein erkrankter Kollege abgelöst werden muss. L. lehnt dies ab und antwortet, als er unter Druck gesetzt wird, mit einer fristgerechten Kündigung zum Jahresende.
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L. wird aufgefordert, sogleich seinen Arbeitsplatz zu räumen. Der Personalchef des Unternehmens wirft ihm Arbeitsverweigerung vor und deutet die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung an, für den Fall, dass keine andere Lösung gefunden werde. L. besteht auf seiner eigenen fristgerechten Kündigung und erklärt (in Kenntnis des kurz zuvor ergangenen Grundsatzurteils im „Ärztefall“), anderenfalls werde er vors Arbeitsgericht gehen.
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Auf diesen Hinweis hin lenkt der Personalchef sogleich ein, akzeptiert die fristgerechte Kündigung von L. und bietet die sofortige Beurlaubung unter Fortzahlung sämtlicher Bezüge bis zum Jahresende an. L., der noch einmal belehrt wird, dass er über alle geschäftlichen Obliegenheiten Stillschweigen bewahren müsse, geht darauf ein und scheidet Ende 1989 aus dem Unternehmen aus.
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L. sucht durch Bewerbungen eine neue Anstellung. Bei einem Vorstellungsgespräch sagt ihm ein Personalleiter, L. bedeute mit seiner moralischen Einstellung einen Risikofaktor für das Unternehmen; wenn das Unternehmen viel Geld für einen Ingenieur ausgebe, dürfe es wohl auch verlangen, dass dieser in jeder Situation loyal zum Unternehmen stehe. Die betreffende Bewerbung wird ohne Angabe von Gründen abgelehnt.
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Nach zweimonatiger Arbeitslosigkeit findet L. bei einem Unternehmen der Umwelttechnik eine neue Beschäftigung.
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'''6) Großraumbüro-Fall'''
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Der promovierte Ingenieur K. leitet ein selbstständiges Ingenieurbüro, das auf dem Gebiet der Bauphysik beratend tätig ist. Anfang der 1960er Jahre sind er und seine Mitarbeiter im Auftrag eines bedeutenden Konsumgüterunternehmens mit vorbereitenden Untersuchungen zum Bau eines neuen Bürogebäudes befasst. Kurz zuvor war die Idee des Großraumbüros aufgekommen, einer Bürokonzeption, bei der mehrere Dutzend bis über hundert Arbeitsplätze in einem durchgängigen saalartigen Raum angeordnet werden. Diese Idee begegnetjedoch„allerleigefühlsmäßigenundauchsachlichenEinwendungen. Werbisherim Einzelraum arbeitete, sieht im Übergang in den Großraum häufig eine Abwertung; die gegenseitige Störung erschwere die Arbeit, ermüde und könne so keinen Nutzen, sondern müsse Nachteile für das ganze Unternehmen bringen. Diese Einwände haben sich in vielen Fällen als berechtigt erwiesen“. So warnen auch K. und seine Mitarbeiter, auf die Gestaltung von Großraumbüros angesprochen, den verantwortlichen Architekten vor dieser neuen Bürokonzeption. Während der betreffenden Planungsarbeiten kommt nun der Firmenchef des Auftraggebers „von einer Reise nach USA zurück und will, von dort angeregt, mit allem Nachdruck Großraumbüros in seinem neuen Verwaltungsgebäude haben. Ich war dagegen und wurde, trotz bester Zusammenarbeit in manch anderer Hinsicht, schließlich vor die Entscheidung zu einem Abbruch unseres Mitwirkens bei weiterer Ablehnung gestellt“. Nach sorgfältiger Überlegung revidiert K. seine Einstellung, weil er den Eindruck gewinnt, dass der Hauptgrund für die Unbeliebtheit des Großraumbüros in der Geräuschbelastung liegt, mit der sich die darin Arbeitenden gegenseitig stören: „Insofern stellt das Großraumbüro also eine akustischeAufgabe dar“. Dementsprechend ändert K. gemeinsam mit seinen Mitarbeitern die Beratungsstrategie: Er folgt dem Wunsch des Bauherrn und übernimmt die akustische Optimierung der Großraumbüros. Zu diesem Zweck stellt er umfangreiche Untersuchungen über Geräuschentstehung, Geräuschausbreitung und Geräuschbelästigung an und konzipiert Maßnahmen zur Erzielung eines angemessenen Geräuschpegels, die vom Gebäudegrundriss über Schallabsorptionsmaßnahmen an Decke und Boden bis zu zusätzlichen Stellwänden zwischen den Arbeitsplätzen reichen. Die Großraumbüros werden nach diesen Grundsätzen derart realisiert, dass sich, von punktuellen Abweichungen abgesehen, ein konstanter Grundgeräuschpegel von 50 bis 55 Dezibel(A) einhalten lässt, eine Geräuschbelastung, die nach dem Stand arbeitswissenschaftlicher Erkenntnis als völlig unbedenklich galt. Dieser Fall zeigt, dass nicht nur Ingenieure in abhängiger Tätigkeit, sondern auch selbstständige Ingenieure in einen Konflikt zwischen eigener Problemsicht und fremden Erwartungen geraten können. Besteht dann der selbstständige Ingenieur auf seinem anfänglichen Problemverständnis, riskiert er die Auflösung des Beratungsvertrages; unter Umständen treffen die finanziellen Konsequenzen nicht nur den Leiter des Ingenieurbüros, sondern gegebenenfalls auch seine Mitarbeiter, die er dann nicht weiter beschäftigen könnte. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge günstiger: „Nicht der wirtschaftliche Nachteil eines Auftragsentzuges konnte uns als gut fundiertes, unabhängiges Beratungsunternehmen schrecken, entscheidend war der Reiz des Neuen. Die Entwicklungsaufgabe, deren Umfang über den eigentlichen Beratungsauftrag hinausging, haben wir in eigener Finanzierung durchgeführt“. K. löst also den Konflikt, indem er das Problem (die Bedenken gegen Großraumbüros) auf einer professionellen Definitionsebene (nachteilige Lärmbelastung) neu formuliert und dann seine fachliche Kompetenz und seine freiberufliche Unabhängigkeit für eine erfolgreiche Problemlösung einsetzt. Freilich nimmt er mit dieser Eingrenzung der Problematik in Kauf, anderen zuvor vermuteten Schwierigkeiten, vor allem auch psychosozialer Art, nicht weiter nachgehen zu können.
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===4. Fallbeispiel - Selbsterlebter Verantwortungskonflikt ===
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Schreibe ein selbsterlebtes Fallbeispiel. Wann hast du dich in deiner eigenen Berufspraxis schon einmal in einem Verantwortungskonflikt befunden? Das Fallbeispiel muss nicht den Ingenieurberuf betreffen, es kann auch eine Situation in einem Studijob, im Praktikum etc. beschreiben. Berichte von dieser Situation in etwa 100 Worten.

Version vom 13. Juli 2020, 14:47 Uhr

Verantwortung und Kodizes - digital

Verantwortung und Kodizes.jpg


Die Teilnehmenden reflektieren ihre Verantwortung als angehende Ingenieur_in. Sie werden dazu angeregt, ihr eigenes Schaffen stets kritisch zu hinterfragen und ihre Arbeit als Ingenieur_in im größeren Kontext zu betrachten. Sie lernen Verhaltensweisen und Lösungswege für Situationen kennen, in denen die eigenen Werte mit ihrem Beruf in Konflikt stehen. Unterstützend dazu bekommen sie einen Ethik-Kodex für Ingenieur_innen an die Hand und reflektieren dessen Wirksamkeit und Grundsätze.

Technik ist nicht ethisch neutral und so ist auch die Ingenieurarbeit nicht neutral. Die starke Fragmentierung der Ingenieurarbeit, bei der Einzelne auf kleinteilige Arbeitsschritte spezialisiert sind, führt zu einer Entfremdung zum Gesamtprojekt und es ist dabei leicht den Blick für das große Ganze zu verlieren. Für verantwortungsbewusstes Handeln ist gerade dieser Rundumblick wichtig. Identifiziert man einen Verantwortungskonflikt, ist es meistens der Rückhalt in Netzwerken, der hilft diesen zu lösen.

In Vorbereitung auf die Sitzung erarbeiten sich die Studierenden zunächst ein allgemeines Verständnis des Begriffs Verantwortung und setzen sich anschließend mit der spezifischen Verantwortung von Ingenieur_innen auseinander. Hierzu lesen sie einen Text sowie ein Fallbeispiel eines Verantwortungskonfliktes aus der Berufspraxis. Anschließend verfassen die Studierenden ein selbsterlebtes Fallbeispiel, um einen persönlichen Bezug herzustellen. Im Seminar diskutieren die Teilnehmenden die Fallbeispiele in zwei Runden und nutzen dabei das Hintergrundwissen aus der Vorbereitung. Für einen intensiveren Austausch ist die Zeit dabei sehr großzügig bemessen. Der Abschluss der Sitzung findet individuell in den Kleingruppen statt. Dieses offene Ende gibt die Möglichkeit Diskussionen bei Bedarf länger zu führen. Als Nachbereitung lesen die Studierenden den Ethik-Kodex des Vereins Deutscher Ingenieure, reflektieren diesen und wenden ihn auf die diskutierten Fallbeispiele an.

Titel
Verantwortung und Kodizes - digital
Thema
Verantwortung von Ingenieurinnen und Ingenieuren. Ethik-Kodizes für den Ingenieurberuf.
Typ
digital
Schlagwörter
Verantwortung, Verantwortungskonflikte, Kodizes
Kompetenzen
disziplinübergreifende Erkenntnisgewinnung, Kooperation, Bewältigung individueller Entscheidungsdilemmata, Partizipation, Reflexion auf Leitbilder, moralisches Handeln, Empathie
Lernformen
kreativ, kooperativ, faktenorientiert
Methoden
Diskussion, individuelle Reflexion
Gruppengröße
>3
Dauer
60 Minuten
Material und Räume
Vorbereitungseinheit zum Thema Verantwortung, Fallbeispiele: Verantwortungskonflikte aus der Berufspraxis
Qualität
Sehr gut. Digitaler Grundbaustein.
Semester
In welchem Semester wurde der Baustein erstellt?


Vor-/Nachbereitung

Vorbereitung der Moderation

Die Moderation passt die Auswahl und Anzahl der Fallbeispiele an die Gruppengröße an und verteilt diese gleichmäßig auf die Teilnehmenden. Bei mehr als sechs Teilnehmenden werden die sechs Fallbeispiele genutzt, um die Vielfalt möglicher Konflikte aufzuzeigen. Bei Gruppen mit weniger als sechs Teilnehmenden wählt die Moderation einzelne Beispiele aus oder gibt den Teilnehmenden jeweils zwei Fallbeispielen.

Bei einer Gruppengröße von sechs Personen bereitet sich jede Person auf ein Fallbeispiel vor. Mit steigender Teilnehmendenzahl werden die Fallbeispiele ungefähr gleichmäßig auf die Personen verteilt, z.B. lesen bei 60 Teilnehmenden jeweils etwa zehn Personen dasselbe Fallbeispiel. Die Verteilung erfolgt z.B. über die Anfangsbuchstaben der Nachnamen. Eine leicht ungleichmäßige Verteilung ist dabei nicht problematisch. Die Diskussionsrunden finden in 10er Breakout Räumen statt, sodass ungefähr jedes Fallbeispiel pro 10er-Gruppe vertreten ist.

Vorbereitung der Teilnehmenden

Die Teilnehmenden bearbeiten im Vorfeld Aufgaben, die in einem Forum zusammengestellt sind. Das Forum besteht aus fünf gesonderten Themenabschnitten:

  • Was ist Verantwortung? - eigene Gedanken & Redebeitrag anhören
  • Hans-Ulrich Kammeyer zu Verantwortung im Ingenieursberuf - lesen und Fragen beantworten
  • Fallbeispiel: Verantwortungskonflikt aus der Berufspraxis - lesen und Notizen machen
  • Fallbeispiel: selbsterlebter Verantwortungskonflikt - einen Konflikt aus der eigenen Berufspraxis aufschreiben
  • Die zwei Fallbeispiele sind die inhaltliche Grundlage für die Diskussionsrunden während des Seminars.

Nachbereitung der Teilnehmenden

Die Teilnehmenden lesen den Ethik-Kodex des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), reflektieren diesen und stellen einen Bezug zu den Fallbeispielen her.

Ablaufplan

00. Minute - Begrüßung und gemeinsamer Start in der Großgruppe

Hinweise

Die Moderation stellt den Ablaufplan vor. Die Moderation erstellt 10er Breakout-Räume für die Diskussionsrunden.

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Ablauf der heutigen Veranstaltung

  • 10.00 - Begrüßung & Ankündigungen
  • 10.05 - Was ist Verantwortung?
  • 10.10 - Diskussionsrunde 1 - gelesene Fallbeispiele
  • 10.35 - Diskussionsrunde 2 - eigene Fallbeispiele
  • 11.00 - Abschluss in den Kleingruppen

5. Minute - Was ist Verantwortung?

Hinweise

Die Moderation leitet in das Thema ein, indem sie Teile des E-Learnings aufgreift und die Sitzung in den Gesamtkontext des Seminars einordnet, z.B. ein Verweis auf die Auftaktsitzung, in der die Teilnehmenden eine Mindmap zu Verantwortung erstellt haben.

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Folgende Aspekte können beispielsweise aufgegriffen werden:

  • Was ist Verantwortung? - Sicht der Teilnehmenden
  • Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der * Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.


Welche Verantwortung hat ein_e Ingenieur_in? - Sicht der Teilnehmenden

Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.


Welche Werte sind wichtig im Bezug auf den Ingenieursberuf? - Sicht der Teilnehmenden

Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.


Ist Technik neutral? - Sicht der Teilnehmenden

Zusammenfassende Folie, die die Antworten der Teilnehmenden aus dem E-Learning wiedergibt, z.B. als Wordcloud oder einzelne Zitate herausstellen, die für gewisse Grundhaltungen stehen. Hinweis: Möglichst viel Abwechslung in der Auswertung innerhalb einer Sitzung und zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen.


Ambivalenz von Technik bei Hans Jonas und Hans Ulrich Kammeyer

Nicht nur wenn Technik böswillig, d.h. für böse Zwecke, missbraucht wird, sondern selbst wenn sie gutwillig für ihre eigentlichen und höchst legitimen Zwecke eingesetzt wird, hat sie eine bedrohliche Seite an sich, die langfristig das letzte Wort haben wird. - Hans Jonas


Um mit der technischen Illusion provisorisch fertig zu werden, kann man Jacques Elluls Formulierung annehmen: Die Technik ist ambivalent. Das bedeutet, dass sie gleichzeitig gut und schlecht ist; die gleiche technische Handlung ist nicht – je nach der Natur der Umstände – positiv oder negativ: Sie ist stets positiv und negativ zugleich, weil sie die Gesamtheit des menschlichen Wesens, das niemals ausschließlich gut oder schlecht ist, in Anspruch nimmt. - Hans Ulrich Kammeyer


10. Minute - 1. Diskussionsrunde zu gelesenen Fallbeispielen

Hinweise

Die Teilnehmenden lesen in Vorbereitung auf die Sitzung die zugeteilten Fallbeispiele. Die Moderation stellt den Arbeitsauftrag für die 10er Kleingruppen vor und weist zusätzlich auf die Diskussionsregeln sowie auf die Selbstständigkeit der Kleingruppe hin. Die Teilnehmenden arbeiten anschließend eigenständig in 10er Gruppen. Die Moderation führt das Werkzeug Einmachglas des Einzelnen ein mit dem Hinweis, dass der Zusammenschluss in Netzwerken mit anderen helfen kann, Verantwortungskonflikte zu lösen. Nach 25 Minuten Diskussionszeit treffen sich alle wieder in der Großgruppe.

Folien

Hinweise zur Gesprächs-/Diskussionskultur

  • Redemodus: eine Person beginnt zu sprechen und bestimmt dann die nächste Person
  • wenn ihr etwas sagen wollt, meldet euch
  • kurz fassen und nur wenige Punkte klar benennen
  • mit Interesse hören, was die anderen zu sagen haben


Diskussion der zugeteilten Fallbeispiele - Kleingruppenarbeit - 25 min

  • Stellt euch reihum die gelesenen Fallbeispiele vor
  • Haben mehrere Personen dasselbe gelesen, beginnt eine Person und die anderen ergänzen
  • Diskutiert die Fallbeispiele auf folgende Fragestellungen:
    • Welche Werte spielen eine Rolle und in welchem Verhältnis stehen sie?
    • Welche Verantwortungskonflikte entstehen?
    • Welche Maßnahmen und Probleme liegen vor?
    • Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen den Fallbeispielen festellen?


Einmachglas des Einzelnen

  • Allein machen sie dich ein.
    • - Ton Steine Scherben

Die Handlungsmöglichkeiten von Einzelnen sind stark beschränkt, aber Einzelne haben immer die

Möglichkeit sich mit anderen zusammenzuschließen - dann ist es kein Einzelinteresse mehr, sondern das eigene Anliegen wird langsam zu einer Frage des Allgemeinwohls. Zu zweit, dritt, hundert oder tausend macht es nicht nur mehr Spaß, sondern man unterstützt und motiviert sich gegenseitig, um auch Hängepartien zu überstehen.

35. Minute - 2. Diskussionsrunde zu den selbsterlebten Fallbeispielen

Hinweise

Die Teilnehmenden schreiben in Vorbereitung auf die Sitzung ein selbsterlebtes Fallbeispiel aus ihrer eigenen Berufspraxis auf. Die Moderation stellt den Arbeitsauftrag der 10er Kleingruppenarbeit vor und weist zusätzlich auf die Diskussionsregeln sowie auf die Selbstständigkeit der Kleingruppe hin. Für gesteigertes Vertrauen beim Besprechen der persönlichen Konflikte bleiben die Gruppen aus der ersten Diskussionsrunde bestehen. Die Moderation stellt die Aufgaben zur Nachbereitung vor und verabschiedet die Großgruppe. Die Teilnehmenden arbeiten anschließend eigenständig in 10er Gruppen und führen den Abschluss der Sitzung eigenständig durch. Durch das offene Ende, können die Studierenden selbst den Endpunkt ihrer Diskussion bestimmen und bei Bedarf sich über aufgekommene Punkte weitergehend austauschen.

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Diskussion der selbsterlebten Fallbeispiele - Gruppenarbeit - 25 min

  • Stellt euch reihum eure eigenen Fallbeispiele vor
  • Diskutiert die Fallbeispiele auf folgende Fragestellungen:
    • Welche Werte stehen im Konflikt zueinander?
    • Wie seid ihr mit dem Konflikt umgegangen? Konnte er gelöst werden?
    • Hattet ihr Unterstützung bzw. hätte Unterstützung eure Situation verändert?
    • Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen den Fallbeispielen festellen?


Nachbereitung

  • Lest den Ethik-Kodex des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und beantwortet folgende Fragen zur Nachbereitung:
  • Welche Hilfestellung gibt der Kodex für die Fallbeispiele?
  • Verändert sich die Betrachtung der Fallbeispiele durch diese Grundlage?
  • Würdest du den Kodex unterschreiben? Siehst du Schwierigkeiten?

Hinweise und Anmerkungen.

Von den Verfasser_innen

Grundbaustein in Berlin - erfolgreich mit 120 Teilnehmenden in 10er Gruppen getestet. Für intensiveren Austausch und größeres Vertrauen, hat es sich bewährt die 10er Gruppen für die zweite Diskussionsrunde nicht zu durchmischen. Der Baustein kann als 90-minütige Variante durchgeführt werden z.B. durch das Einbinden von externen Expert_innen. In Berlin hat ein ehemaliger Blue Engineering Tutor einen Verantwortungskonflikt (Zuarbeit zu einem Militärprojekt) vorgestellt, den er in seinen ersten Arbeitsjahre erfahren hat und anschließend Fragen der Studierenden beantwortet.

Nach weiteren Durchführungen

Noch ausstehend.


Literaturhinweise und Quellen

Fallbeispiele

  • Matthias Maring (Hrsg.) - 2011 - Fallstudien zur Ethik in Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Gesellschaft - Irak-Fall - Kläranlagen-Fall - Reaktormessgeräte-Fall - Großraumbüro-Fall - Kongresshallen-Fall - KIT Scientific Publishing - ISBN 978-3-86644-608-3, Lizenz CC by-nc-nd 3.0
  • Klaus Kornwachs - 2015 - Der Konstrukteur und der Kunde - Philosophie für Ingenieure - Ford-Pinto-Fall - Carl Hanser Verlag - ISBN 978-3446442399

Kodex

Vorbereitung

Vorbereitung - Aufgaben - Verantwortung

Hinweis

Die Moderation erstellt ein Forum auf der Moodle Plattform mit jeweils einem neuen Thema für jeden Abschnitt der Vorbereitungseinheit. Es ist darauf zu achten, die Themen bereits im Titel zu nummerieren und die entsprechenden Inhalte (siehe unten) hochzuladen. Die Teilnehmenden bearbeiten die Aufgaben in Reihenfolge der Nummerierung (1-4).

Überblick

Die Vorbereitungseinheit besteht aus fünf Abschnitten:

  • Was ist Verantwortung?
  • Hans-Ulrich Kammeyer zur Verantwortung im Ingenieursberuf
  • Fallbeispiele - Verantwortungskonflikt in der Berufspraxis
  • Fallbeispiel - eigener Verantwortungskonflikt


1 - Was ist Verantwortung??

Beantworte folgende zwei Fragen als Antwort auf diesen Forumsbeitrg in jeweils EINEM Satz:

  • 1. Was ist Verantwortung für dich persönlich?
  • 2. Welche Verantwortung hat ein_e Ingenieur_in aus deiner Sicht


Höre dir nach Beantwortung der Fragen folgenden kurzen Redebeitrag des Soziologen Hans Jonas zum Thema Verantwortung an:

Hans Jonas - Verantwortung neu denken - https://www.youtube.com/watch?v=N61nUnsy_bM

Und zum Mitlesen, Hans Jonas:

"Noch nie gab es zu verantworten was es heute zu verantworten gibt. Sowohl Wissen wie Macht waren zu begrenzt um die entferntere Zukunft in die Voraussicht und gar den Erdkreis in das Bewusstsein der eigenen Kausalität einzubeziehen. Erst die moderne Technik mit der beispiellosen Reichweite ihrer Taten in Raum und Zeit eröffnet diese Horizonte und stellt damit der sittlichen Vernunft ganz neue Aufgaben. Eine davon ist unsere Verantwortung erst einmal neu zu denken. Der Versuch dazu erlegt sich als Pflicht der Verantwortung selbst auf. So erging es mir..."

Weitere Informationen zu Hans Jonas finden sich zum Beispiel auf Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Jonas


2. Hans-Ulrich Kammeyer zur Verantwortung im Ingenieurberuf

Lies zuerst den folgenden Text. Du findest du ihn unten nochmal als pdf, falls du ihn herunterladen und ausdrucken möchtest.

Beantworte im Anschluss folgende zwei Fragen (fasse dich kurz!):

  • 1. Wie stehst du zur Aussage „Technik ist neutral“?
  • 2. Welche Werte findest du wichtig im Bezug auf den Ingenieursberuf?


Hans-Ulrich Kammeyer

  • Diplom-Ingenieur, Beratender Ingenieur, Prüfingenieur für Baustatik; Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen, Vizepräsident der Bundesingenieurkammer


Was ist und wie weit reicht die Verantwortung des Ingenieurs?

Die Ambivalenz der Technik nötigt dem Berufsstand weitergehende Gedanken als bisher über sein Verhältnis zum Fortschritt ab

Was ist Technik? Was ist Moral? Kann es moralische Grenzen zwischen Technik und Fortschritt geben? Wenn Technik ein Naturgesetz darstellt, also genauso natürlich ist wie Blatt oder Blume, dann müssen die Ingenieure, die Technik generieren und anwenden, ganz neue Fragen an ihr Tun und Lassen stellen. Einen Versuch, den Ingenieuren für solche Frage ein Fundament zu legen, ihnen eine Richtung für Antworten zu weisen, hat der Autor des folgenden Beitrages unternommen.

Ich möchte versuchen, die Verantwortung zu erläutern, die wir Ingenieurinnen und Ingenieure im Bewusstsein unseres Berufes und seiner Ausübung haben. Wie sieht es aus mit Selbstständigkeit und Freiberuflichkeit? Mit freischaffenden Ingenieurinnen und Ingenieuren? Viele unter uns – auch viele Kolleginnen und Kollegen – können zwischen einem Selbstständigen, einem Freischaffenden und einem Freiberufler nicht unterscheiden. Ich selbst bin Beratender Ingenieur – also eigentlich alles drei in einem. Zuerst bin ich freischaffender Ingenieur – selbstständig bin ich auch, aber das sind neben mir viele Handwerker, Kaufleute und Firmeninhaber aller Art.

Und Freiberufler?

Bin ich als Ingenieur Freiberufler?

Für die Freiberuflichkeit muss man nicht selbstständig sein, aber in seinen beruflichen Entscheidungen eigenverantwortlich – was für den freischaffenden Ingenieur selbstverständlich ist – aber was gilt für alle anderen (auch angestellten) Ingenieure? Ärzte sind immer Freiberufler, auch dann, wenn sie angestellt sind. Aber ist man das auch als Ingenieur? Privatrechtlich? Strafrechtlich?

Im Gegensatz zu den Ärzten gibt es für den Berufsstand der Ingenieure keine klare Berufsordnung. Nun mag man ja sagen, dass es bei Ingenieuren auch nur um Technik gehe, nicht um Menschen. Macht dies einen Unterschied aus? Können wir Mensch und Technik trennen?

Was ist Technik?

Wer nach der Beantwortung solcher Fragen sucht, kommt nicht umhin, sich auch den Fragen nach den Geltungsbedingungen technischer und konstruktiver Errungenschaften und nach ihren Nutzungsbedingungen zu nähern, gleichzeitig die Kriterien für die Intention ihrer Entwicklungen und für ihren Einsatz zu berücksichtigen und darüber hinaus auch die philosophischen Disziplinen und Methodiken einzubeziehen.

Dies führt uns auch zu der Auseinandersetzung mit der Frage, was Technik wert ist und welche Daseinsberechtigung sie hat.

Die Evolution der Technik ist verbunden mit der Evolution des Menschen. Den Herausforderungen, denen die Menschheit im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte ausgesetzt war, ausgesetzt ist und immer auch ausgesetzt sein wird, begegnet sie durch technische Entwicklungen. Das Verlangen des Menschen nach Überwindung des Magischen und Wunderbaren brachte ihm den Fortschritt der Technik, wie wir ihn heute kennen.

Dass sich der Mensch mit und wegen seiner technischen Erfindungen und Entwicklungen ungewollt auch die eigenen Lebensgrundlagen entzieht und zur Bedrohung seines eigenen Fortbestehens geworden ist, hat uns die Historie des 20. Jahrhunderts deutlich gezeigt. Die als technisch-wissenschaftlicher Fortschritt gefeierte Fähigkeit der Kernspaltung lehrte die Menschheit mit dem Abwurf der ersten Atombombe auch das Fürchten und führte sie an die moralischen Grenzen der Vereinbarkeit von Technik und Fortschritt. Wo die Menschheit im Mittelalter mit Glaube, Hoffnung und Mystik, in religiösen und magischen Antworten den Ausweg aus allgegenwärtigen Bedrohungen, beispielsweise der Pest, suchte, sieht sie sich heute zunehmend der technischen Illusion ausgesetzt. Einer Illusion, die, anders als erwartet, nicht nur positive Effekte nach sich zieht, sondern auch zerstörende und zerstörerische Auswirkungen annimmt (nukleare Überbewaffnung), Ungleichgewichte schafft (übermäßige Macht) sowie moralische Aspekte und das menschliche Mitgefühl außer Kraft setzen und im verkehrten Sinne Erfinder zu Opfern werden lässt, wenn wir nur an Einstein, Bohr, Oppenheimer oder an Roosevelt und Truman denken (die Urheber der ersten Atombombe). Das Beispiel der Kernphysik und der Herstellung der Atombombe beweist uns dies immer wieder. Wie aber ist Technik nun zu bewerten? Ist Technik grundsätzlich positiv? Das hat man lange so gesehen. Ein Beispiel der feierlichen Verkündung dieser zu Grabe getragenen Ideologie kann im Bericht „Technologie, Beschäftigung, Wachstum“ exhumiert werden, der am 5. Juni 1982 anlässlich der Gipfelkonferenz von Versailles von François Mitterrand den Staatschefs des Westens präsentiert wurde. Darin wird andächtig das produktivistische Glaubensbekenntnis wiederholt, wonach die Elektronik und Biotechnik zugleich die Probleme der Inflation, der Arbeitslosigkeit, des Missverhältnisses zwischen Nord und Süd und selbst der existenziellen inneren Unruhe lösen würden.

Dagegen hat sich nun angesichts dieser produktivistischen Weltanschauung eine gegensätzliche Ideologie gebildet, nämlich die Ideologie der Wachstumsverweigerung, die grundsätzlich behauptet, die Technik sei schlecht.

Angesichts der offenbaren Paradoxien der Technik, die zugleich gut und schlecht, positiv und negativ ist, nötig und schädlich, tun die Produktivisten und die Wachstumsverweigerer nichts anderes, als dieses Paradoxon aus dem Weg zu räumen, indem sie die Hälfte der Realität vernachlässigen.

Gegenüber diesen beiden extremen Standpunkten glauben einige, dem Dilemma, wie es jedes Paradox verursacht, entrinnen zu können, indem sie behaupten, die Technik sei neutral, und indem sie so tun, als sei sie gut. Melvin Kranzberg hat alle diese Auffassungen für falsch erklärt. Er sagt: „Die Technik ist weder positiv, noch negativ, noch neutral.“ Dieses Gesetz verwirft die grob vereinfachenden Schemata der positiven sowie der negativen Technik und widersteht der natürlichen Versuchung, daraus den Schluss zu ziehen, sie sei neutral.

Aber die sogenannte Neutralität der Technik stellt heutzutage noch den zuverlässigsten ideologischen Unterbau der technischen Illusion dar. Die These der Neutralität beruht dem Anschein nach auf einer Überlegung, die gesunden Menschenverstand verrät. Wenn die Technik weder gut noch schlecht ist, dann scheint es, sie müsse infolgedessen neutral sein, und alles Übrige hinge von dem Gebrauch ab, der von ihr gemacht wird. Nun führt aber die Menschheit unaufhörlich technische Neuerungen ein, so, als handle es sich um ein Naturgesetz. Der Mensch stellt mit der gleichen natürlichen Unschuld Maschinen her, die Atombombe inbegriffen, mit der ein Vogel sein Nest baut oder ein Biber seinen Damm.

Die Hypothese der ethischen Neutralität verweist die Technik in die Welt der Materie und die Ethik in die Welt der abstrakten Spekulation.

Dies deckt natürlich die ganze Gefahr der vorgegebenen Neutralität der Technik und sogenannten Unschuld der Techniker auf. Die Tatsache, dass ein Wernher von Braun den Vereinigten Staaten sein Mitwirken zur Verfügung gestellt hat, rechtfertigt seine Zusammenarbeit mit den Nazis nicht. Eine Rakete in White Sands herzustellen, ist nicht moralischer, als dies in Peenemünde zu tun, da es für das Menschengeschlecht nicht weniger gefährlich ist. Es ist auch nicht moralischer, eine Rakete zur Erforschung des Mondes als eine Rakete für militärische Zwecke herzustellen, weil man in beiden Fällen an der gleichen Technik arbeitet, von der hinterher von irgendwem zu irgendeinem Zweck Gebrauch gemacht werden kann.

Ist also Technik weder neutral, noch positiv, noch negativ, dann muss die Frage nach ihrer tatsächlichen Wesensart aufkommen.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir uns in einem Paradoxon befinden, das man nicht so ohne weiteres auflösen kann.

Der Wert eines technischen Gegenstands ist nicht bestimmt. Die Handhabung ein und desselben Messers, je nachdem, ob es zum Brotschneiden oder zur Ermordung eines Menschen benutzt wird, nimmt eine andersartige Bedeutung an. Diese triviale Tatsache gestattet dem Messerfabrikanten nicht, zu entscheiden, ob seine Tätigkeit zulässig sei; sie verleitet ihn zu der Annahme, sein Beruf sei neutral. Nun ist er dies jedoch nicht: Der mit einem Messer bewaffnete Mensch ist nicht mehr derselbe wie der Unbewaffnete; ob er gut oder schlecht handelt, hat ein schwerer wiegendes Gewicht. Jedem Handeln wohnt eine Schwere inne, die ihm eine weitreichende Wirkung verleiht.

Um mit der technischen Illusion provisorisch fertig zu werden, kann man Jacques Elluls Formulierung annehmen: Die Technik ist ambivalent. Das bedeutet, dass sie gleichzeitig gut und schlecht ist; die gleiche technische Handlung ist nicht – je nach der Natur der Umstände – positiv oder negativ: Sie ist stets positiv und negativ zugleich, weil sie die Gesamtheit des menschlichen Wesens, das niemals ausschließlich gut oder schlecht ist, in Anspruch nimmt. Diese Formulierung bleibt selbst über die bewusste Absicht des Menschen hinaus gültig. Die besten Absichten der Welt genügen nicht, um einem technischen Akt einen positiven Wert zu verleihen, wie uns der Fall der ersten Atombombe gezeigt hat.

Die Technik ist nicht nur ambivalent, sondern auch mehrdeutig. Selbst wenn man im Vorhinein weiß, dass sie zugleich gut und schlecht ist, ist es unmöglich zu erraten, welche Anwendungen sich als positiv und welche als negativ erweisen werden.

1955 bewies das gemeinsame Gefühl hinsichtlich der Kernphysik eine ziemlich große Meinung Naivität. Man nahm an, dass die Atombombe die schlechte Anwendung darstellt, die Kernkraftwerke dagegen die gute, da sie eine unerschöpfliche Energiequelle darstellen würde, billig und sauber. Die militärische Anwendung war natürlich schlecht, die pazifistische zwangsläufig gut.

Die Folge der Ereignisse hat gezeigt, dass diese Wertschätzung grundfalsch war. Tatsächlich hat die Atombombe den Ausbruch eines Krieges zwischen der westlichen und der kommunistischen Welt verhindert. Dagegen hat die schlimme Katastrophe von Tschernobyl die Erzeugung nuklearer elektrischer Energie in einem Maße in Verruf gebracht, dass sie hier bei uns praktisch aufgegeben wurde: Die Kernkraftwerke wurden von nun an als das absolute Übel angesehen, ein unkalkulierbares Risiko, auch unter Beteiligung menschlichen Versagens.

Indessen wird man sich bei nochmaligem Nachdenken daran erinnern, dass Tschernobyl letztlich aber mit zum politischen Zusammenbruch der Sowjetmacht geführt hat.

Wir müssen uns also von dem allgemeinen Vorurteil trennen, der Mensch sei angesichts der Technik souverän und unveränderlich. Souverän in dem Sinne, dass er nach Belieben den Lauf der technischen Entwicklung durch Beschlüsse, Entscheidungen oder Ablehnungen bestimmen könnte. Unveränderlich in dem Sinne, dass er sich durch Bezug auf ein System von Werten bestimmen könnte, die angeboren und permanent sind, was man etwa natürliche Moral nennt.

Die Wirklichkeit ist sehr viel beunruhigender. Jacques Ellul hat klar gezeigt, dass Technik ein autonomes, einheitliches, allgemeines und totalitäres System darstelle, angesichts dessen der Mensch allein oder in der Gemeinschaft gegenwärtig schutzlos und ohne Hilfsmittel zugleich dasteht. Er kann den Fortschritt der Technik in dem einen oder anderen Punkt ein wenig beschleunigen, aufhalten kann er ihn jedoch nicht.

Nehmen wir ein alltägliches Beispiel: Ein Ingenieur legt dem Direktor einer Computerfirma einen Vorschlag für einen neuen Computer vor. Dieser beruht auf den Grundlagen der Optoelektronik, welche die Herstellung eines tausendfach schnelleren Gerätes in einem tausendfach kleineren Volumen zu einem tausendfach geringeren Preis erlauben würde – kurz, es handelt sich hierbei um die Herstellung eines milliardenfach leistungsfähigeren Computers, verglichen mit konventionellen Geräten. Lässt sich dieses Projekt mit den verfügbaren Mitteln verwirklichen, bleibt dem Direktor wohl kaum die Wahl, es abzulehnen. Lässt er die Chance an sich vorübergehen, dann wird eine Firma der Konkurrenz sie aufgreifen und all diejenigen, die den Fortschritt verweigert haben, vom Markt ausschließen. Nimmt er das Projekt an, dann zwingt dieser Direktor die Direktoren der konkurrierenden Firmen, ebenso zu handeln wie er selbst.

Mit einem Wort: Kein Firmenleiter hat wirklich die Freiheit einer prinzipiellen Wahl.

Das heißt: Jeder technische Fortschritt, der sich im Bereich des Möglichen befindet, wird zwangsläufig.

Man darf also den Verdacht hegen, dass der Fortschritt der Technik ein automatischer Vorgang ist, der seine eigene Ursache darstellt, und der demnach neben seinem eigenen Anwachsen keine andere Zweckbestimmung besitzt.

Wie können wir eine Gebrauchsanweisung für die Technik schreiben angesichts der Tatsache, dass wir uns bereits bei der Formulierung der Gebrauchsanweisung für ein einfaches technisches Gerät wie ein Telefon so schwer tun?

Und dennoch brauchen wir die Auseinandersetzung im Umgang mit Technik. Hierin liegt die Verantwortung von uns allen, insbesondere von denen, die diese Entwicklungen vorantreiben.

Diese Verantwortung führt auch uns Ingenieure zu einer vertieften Betrachtung der Technik – insbesondere unter moralischen und ethischen Gesichtspunkten. Schließlich geht alle menschliche Kultur in ihren Ursprüngen auf Technik zurück. Die Geschichte der menschlichen Kultur und Zivilisation ist immer auch Geschichte der Technik.

Kultur manifestiert sich nicht nur in den elementarsten Künsten wie Malerei, Plastik und Musik. Auch die Ingenieurkunst ist Spiegel des Kulturzustandes der Gesellschaft. Technik und Kunst haben den Menschen von Anbeginn begleitet. Sie haben die gleiche Wurzel: die schöpferische, gestaltende Phantasie der Menschen. Die Ingenieurkunst ist (wie auch die Heilkunst) eine der ältesten nützlichen Künste. Das Ingenium, die geistig-schöpferische Kraft, war schon immer Grundlage und Antrieb dieser Kunst. Die beachtliche Technologie-Beschleunigung ist dabei, das ethische Urteilsvermögen zu überholen. Pluralisierung und Globalisierung ethischer und moralischer Werte zusammen mit dem Blackbox-Charakter der Technik verunsichern den Menschen bis zur Lebensangst. Die zunehmende Differenz zwischen Expertenwissen und Laienwissen erfordert Vertrauen – insbesondere auch in die ethische Integrität des Ingenieurberufes.

Ethik ist verbunden mit Technik, mit Wissenschaft und Wirtschaft. Gemeinhin wird Ethik definiert als Theoretisierung von Moral und die Moral als Regulativ des menschlichen Zusammenlebens. Ethik und Moral scheinen dabei der Preis zu sein, den moderne Industriestaaten zu zahlen bereit sind. Erst ernsthafte Krisen, wie wir sie jetzt in der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder erleben, weisen der Menschheit die Grenzen von Ignoranz und Rücksichtslosigkeit auf. Damit beweist sich die geschichtliche Erfahrung – sobald moralische Selbstverständlichkeit entschwindet, regt sich Ethikbedarf. Die Zweifler werden mehr, und auch in unseren Industriestaaten gewinnen Ansprüche an Moral und Ethik, an Anstand und damit an Wohlergehen für alle neue Tragweite.

Uns Ingenieuren sind die Aspekte von Ethik und Moral in Ausübung unseres Berufes täglich allgegenwärtig. Wir entscheiden über Entwicklungen, Planungen und Berechnungen, und damit über die Anwendung und Sicherheit von Maschinen und von Bauwerken – eine verantwortungsvolle Aufgabe, wie nicht nur wir finden, und eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen. Unter Berücksichtigung des technisch Machbaren finden Grundsätze einer (universalen) Technik-Ethik in Forschung und Lehre wie in der Praxis bei Ingenieurinnen und Ingenieuren globale Zustimmung. Die Ingenieure Europas haben sie in eigener Form in der Dresdner Deklaration anlässlich des Europäischen Ingenieurkammertages 1998 in Dresden längst beschlossen. Ich zitiere Ihnen gerne aus diesem Kodex die folgenden Punkte, denen sich die Ingenieurinnen und Ingenieure unter anderem verschrieben haben:

- Europas Ingenieure erbringen ihr Werk in Verantwortung vor der Menschheit, der Umwelt und sich selbst. Ihr Schaffen dient dem Wohl und der Fortentwicklung der Gesellschaft in diesem Jahrtausend.

- Europas Ingenieure achten die Leistung ihrer Berufskollegen. Sie messen ihre Kräfte in einem fairen Wettbewerb der Qualität und Effizienz zum Vorteil des Verbrauchers und zum Schutz der Umwelt.

- Europas Ingenieure nehmen in der Gegenwart und in der Zukunft aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft teil. Durch Innovation und Kreativität fördern sie Ingenieurkunst und Baukultur. Sie geben sich eine Ordnung, die ihren hohen ethischen Ansprüchen genügt.

Diese Grundsätze, angemessen auch rechtlich auf die Basis einer Berufsordnung für Ingenieure zu stellen, bleibt unser Ziel. Uns unserer besonderen Verantwortung gegenüber der Gesamtheit der Gesellschaft, der Menschheit und der Umwelt bewusst, denken wir Ingenieure in diesem Zusammenhang auch über einen Berufseid beziehungsweise ein Gelöbnis für unseren Berufsstand nach (wie bei den Ärzten der hippokratische Eid). In der hohen Verantwortung, in der Ingenieure stehen, ist ihnen auch die eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnis einzuräumen – gemäß einer wirklichen Freiberuflichkeit für möglichst alle Ingenieurinnen und Ingenieure! In diesem Sinne kann allein die Umsetzung einer Berufsordnung das bewusste eigenverantwortliche Handeln der Ingenieurinnen und Ingenieure zufriedenstellend regeln.

Literatur:

  • Neirynck, J.: Der göttliche Ingenieur – die Evolution der Technik; expert verlag GmbH, Renningen
  • Wendeling-Schröder, U., Meihorst, W., Liedtke, R.: Der Ingenieur-Eid – ethische, naturphilosophische, juristische Perspektiven; scientia nova, Brette
  • Zimmerli, Chr.: Ethik in der Praxis – Wege zur Realisierung einer Technikethik; Lutherisches Verlagshaus, Hannover


3. Fallbeispiele - Verantwortungskonflikte aus der Berufspraxis

Während des Seminars werdet ihr in Kleingruppen Fallbeispiele besprechen, die Verantwortungskonflikte von Ingenieur_innen beschreiben. Es gibt 6 verschiedene Fallbeispiele. Welches du lesen sollst, leitet sich aus dem Anfangsbuchstaben deines Nachnamens ab. Nimm dir Zeit für das Fallbeispiel, du wirst es im Seminar anderen Studierenden vorstellen, die es noch nicht kennen.

Arbeite folgende Punkte heraus:

  • Welche Werte spielen eine Rolle und in welchem Verhältnis stehen sie?
  • Welche Verantwortungskonflikte entstehen?
  • Welche Maßnahmen und Probleme liegen vor?


Fallbeispiele

  • Fallbeispiele als PDF einfügen (an Teilnehmendenzahl anpassen und auf die Studierenden verteilen) -


1) Kongresshallen-Fall Der promovierte Naturwissenschaftler und Ingenieur C. arbeitet in einem bedeutenden Bauunternehmen als Entwicklungschef für Spannbeton-Konstruktionen, die besondere Sicherheitsvorkehrungen bei Errichtung und Wartung erfordern. Da in der Fachwelt bereits einzelne Schadensfälle bekannt geworden sind, drängt C. in seinem Unternehmen darauf, bei der Errichtung einer neuen Flugzeughalle geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Im Hinblick auf entstehende Mehrkosten wird dieser Vorschlag abgelehnt.

Tatsächlich treten nach einiger Zeit am Tragwerk der Halle Schäden auf, die erhebliche Gefahren für Menschenleben und Sachwerte heraufbeschwören. Diese Gefahren lassen sich zwar durch umgehende Reparatur beheben, doch kommt es zu Auseinandersetzungen über die Schadensursache, die auf höchster Ebene geführt werden. In diesen Verhandlungen erinnert C. die Geschäftsleitung an seine rechtzeitigen Warnungen, die ein sorgfältigeres Vorgehen gefordert hatten, aber nicht beachtet worden waren.

Seit diesem Vorfall bestehen Spannungen zwischen der Geschäftsführung und C., die das Arbeitsklima spürbar belasten. Gleichwohl macht C. die Geschäftsleitung in den Jahren 1973 und 1974 mehrfach mündlich und schriftlich darauf aufmerksam, dass bei der Berliner Kongresshalle, die von seinem Unternehmen in Arbeitsgemeinschaft mitgebaut worden war, ebenfalls ein größerer Schadensfall zu befürchten sei, und er legt konkrete Vorschläge vor, den möglichen Schaden mit vorbeugenden Maßnahmen zu verhindern. Wiederum lehnt es die Geschäftsleitung ab, diesen Vorschlägen zu folgen, und verstärkt ihre Bemühungen, C. zum Ausscheiden aus dem Unternehmen zu bewegen. „In dieser Situation wäre mir nur noch der Weg zum Staatsanwalt geblieben. Darin sehe ich das Problem des angestellten Wissenschaftlers“.

Aber auch ohne dass C. einen solchen Schritt unternommen hätte, wird er schließlich nach langjähriger Tätigkeit „unter Verzicht auf alle Ehren für seine nachweislichen Verdienste um den Konzern, aber versehen mit einer großzügigen finanziellen Regelung, zwangsweise mittels eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs in den vorzeitigen Ruhestand entlassen“.

1980 tritt der von C. vorausgesagte Schadensfall tatsächlich ein, wobei, neben einem Sachschaden in Millionenhöhe, eine Person zu Tode kommt und mehrere Personen verletzt werden. In den nachfolgenden Untersuchungen stellt C. seine detaillierten Fachkenntnisse den damit befassten Institutionen zur Verfügung. Nach Abschluss der Untersuchung wird der Schadensfall gegenüber der Öffentlichkeit mit technischem Versagen erklärt.

In dieser Zeit bespricht sich C. vertraulich mit befreundeten Fachkollegen, die ihn aber zu weitergehenden Schritten nicht ermuntern, da der Schadensfall damit nicht rückgängig zu machen wäre. Auch persönliche und sachliche Gründe sprechen dagegen: „Es ist nicht jedermanns Sache, als ein Michael Kohlhaas der Hochtechnologie in die Geschichte einzugehen. Mit den Medien nicht unerfahren, will ich nicht, dass diese aus meinem Fall Folgerungen herleiten, die dieser Konstruktionsweise schaden“. „Andererseits möchte ich die [...] mitzuteilenden Umstände nicht in Vergessenheit geraten lassen“. „Später habe ich viel darüber nachgedacht, ob mein Verhalten in den wichtigen Fällen [...] richtig gewesen ist. Und ich habe überlegt, wie ich mich meinem Gewissen gegenüber noch anders hätte verhalten können“.

Heute ist C. der Ansicht, dass in der damaligen Situation nur eine Ethik-Kommission hätte helfen können, die Schadensfälle zu verhüten. Der bestinformierte Fachmann, in der Regel der für ein Projekt verantwortliche Ingenieur, müsste sich vertraulich, gegebenenfalls sogar anonym, an eine solche Institution wenden können, damit, ohne dass der betreffende

Ingenieur in berufliche Schwierigkeiten gerät, die erforderlichen Vorkehrungen rechtzeitig und wirksam getroffen würden.

Als 1991 der Präsident der Bundesanstalt für Materialprüfung auf einem Kongress des Vereins Deutscher Ingenieure in seinem Vortrag den Einsturz des Kongresshallen-Dachs aufgreift und erklärt, äußere Anzeichen für das drohende Versagen wären „durchaus als solche erkannt worden, wenn ein sachkundiger Beobachter bewusst nach ihnen gesucht hätte“, schildert C. ihm in einem offenen Brief die tatsächlichen Hintergründe; der Empfänger beantwortet diese Schilderung mit der Erklärung, dass er dazu nicht Stellung nehmen könne.

Wenig später will C. von einem Personalberater, der allwöchentlich in den VDI-Nachrichten Fragen zur Ingenieurkarriere beantwortet, wissen, wie er sich in jener Situation hätte verhalten sollen. „In Extremsituationen wie jener“, lautet die Antwort, „lässt unser derzeitiges Führungssystem den Angestellten mit seinem Problem allein. Er steckt in einer echten Zwickmühle“. Allein mit einem Firmenwechsel und einem dabei ausgeübten diskreten Druck auf den bisherigen Arbeitgeber, so heißt es dann weiter, könne man eventuell dessen Haltung ändern, ohne die eigene Karriere zu gefährden; ob dieser Weg im konkreten Fall gangbar gewesen wäre, wird offen gelassen.

Dieser Konflikt besteht darin, dass fachlich gebotene zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen gegen den Vorrang der Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte nicht durchzusetzen sind. Obwohl sich der betreffende Ingenieur mit großem persönlichen Engagement firmenintern für die Schadensverhütung einsetzt, werden seine Bedenken nicht berücksichtigt. Überdies muss der Ingenieur einen schwerwiegenden Nachteil für seine berufliche Karriere hinnehmen und kann trotzdem den vorhersehbaren Schaden nicht verhindern.

Eine Arbeitsverweigerung wäre in diesem Fall überhaupt nicht in Betracht gekommen, weil ja nur zusätzliche Aktivitäten den Konflikt hätten beheben können. Einzig die Alarmierung der Öffentlichkeit hätte etwas bewirken können, doch C. kann sich aus Rücksicht auf das Ansehen seines Fachs und die Verbundenheit mit seinen Fachkollegen lange Zeit nicht dazu durchringen. Überdies: „Wer als leitender Angestellter seinen Arbeitgeber bei der Staatsanwaltschaft anzeigt, ist nicht nur in diesem Unternehmen ganz schnell draußen, ihn nimmt auch ein anderes kaum wieder auf“.

Als langfristige Folge jener Ereignisse, die den Betroffenen noch immer belasten, ist festzuhalten, dass er sich schließlich doch an die Fachöffentlichkeit wendet und heute für institutionelle Lösungen eintritt, die, wenn es sie seinerzeit schon gegeben hätte, ihn in seinem Gewissenskonflikt hätten unterstützen können.


2) Kläranlagen-Fall

Der Diplomingenieur D. arbeitet seit Anfang der 1970er Jahre bei einem großen Unternehmen der chemischen Industrie als Spezialist für die Reinigung von Industrieabwässern. Unter anderem wirkt er an der Projektierung einer werkseigenen Kläranlage mit. D. hält die von der Betriebsleitung favorisierte konventionelle, einstufige Kläranlage für unzulänglich und interveniert mehrfach zugunsten einer mehrstufigen biologischen Anlage. Gleichwohl wird die Kläranlage 1975 in der ursprünglich geplanten Form in Betrieb genommen.

1982 legt D. seinen Vorgesetzten eine Studie vor, die nachweist, dass eine der Kläranlage vorgeschaltete Warnanlage, die überraschende Giftstöße rechtzeitig anzeigen soll, in einer Großanlage nicht funktionieren kann. Als es im Mai 1984 in der Kläranlage zu einer empfindlichen Betriebsstörung kommt, stellt sich heraus, dass das von D. beanstandete Warngerät versagt hat; er selbst jedoch wird von einer Dienstbesprechung über den Störfall ausgeschlossen und später in eine andere Abteilung versetzt.

In der Zwischenzeit hat D. über den Vergleich von Kläranlagen-Typen eine Dissertation verfasst, die von einer Technischen Universität angenommen wird. Obwohl ihm schon 1983 von einem Vorgesetzten Fachpublikationen zur Abwasserreinigung verboten worden waren, veröffentlicht er dann doch, ohne eine Genehmigung einzuholen, Auszüge aus seiner Dissertation sowie wissenschaftliche Aufsätze in Fachzeitschriften. 1986 wird ihm fristlos gekündigt, weil er verbotswidrig dienstliche Erkenntnisse publiziert habe.

D. klagt gegen diese Kündigung und erzielt 1989 einen arbeitsrechtlichen Vergleich, in dem die einvernehmliche Kündigung zum 31. Dezember 1986 und eine Abfindungszahlung in Höhe von 100.000 DM an D. vereinbart werden. Als Beratender Ingenieur und als Hochschullehrer hat D. seine berufliche Tätigkeit fortsetzen können.

Auch in diesem Fall werden fachlich begründete Warnungen eines Mitarbeiters von den Vorgesetzten aus wirtschaftlichen Gründen nicht akzeptiert. Das Engagement des Ingenieurs ist so stark, dass er über eine wissenschaftliche Qualifizierung parallel zur Berufsarbeit die Seriosität seiner Bedenken unter Beweis stellt. Als der Ingenieur seine Interventionen im Unternehmen dementsprechend fortsetzt, wird er durch Versetzung in ein anderes Aufgabengebiet kaltgestellt. Als er seine kritischen Einsichten der Fachöffentlichkeit mitteilt, verliert er endgültig seinen Arbeitsplatz.

In den arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen – insgesamt waren es vierzehn Prozesse – hat das Recht auf die Freiheit der wissenschaftlichen Veröffentlichung natürlich eine beträchtliche Rolle gespielt und ist schließlich auch Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde geworden. Diese Beschwerde ist 1988 abgewiesen worden, zum einen, weil sie bestimmten prozeduralen Anforderungen nicht genügt, zum anderen aber auch, weil die Verfassungsrichter folgende erstaunliche Auffassung vertreten: „Die Verpflichtung, vor einer Veröffentlichung die Zustimmung der Beklagten des Ausgangsverfahrens“ (des Arbeitgebers) „einzuholen, unterbindet aber noch nicht das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Veröffentlichung von Forschungsergebnissen“. Dass die Genehmigungspflicht doch nur Sinn macht, wenn die Genehmigung auch – verfassungswidrig! – verweigert werden kann, und somit eine verfassungswidrige Tendenz in sich selbst besitzt, scheint dem Bundesverfassungsgericht nicht klar geworden zu sein. Dass die Genehmigungspflicht überdies eine vorauseilende Selbstzensur des abhängig beschäftigten Forschers begünstigt und auf diese Weise unmittelbar in die Forschungsfreiheit eingreift, trägt auch nicht gerade zu ihrer Verfassungsverträglichkeit bei.


3) Reaktormessgeräte-Fall

Der Elektronik-Ingenieur H. ist bei einem namhaften Unternehmen des Kernreaktorbaus beschäftigt und entwickelt Messinstrumente und Messsysteme für diese Reaktoren. Als er seine Tätigkeit bei dem Unternehmen aufnimmt, glaubt er an die Sicherheit der Atomenergietechnik und ist davon geradezu fasziniert.

Doch bereits nach einem halben Jahr Arbeitstätigkeit wachsen seine Zweifel an der Zuverlässigkeit der Sicherheitseinrichtungen bei Kernkraftwerken aufgrund konkreter Erfahrungen mit Isoliermaterial und Formveränderungen bei einzelnen Komponenten der Messeinrichtungen. H. äußert seine Sicherheitsbedenken gegenüber der Firmenleitung schriftlich und erbittet ein Gespräch. Dieses Gespräch findet auf allerhöchster Ebene schon einen Tag später statt.

Zunächst äußerst man sich positiv gegenüber seinem Engagement und gibt H. zu verstehen, dass man den Sicherheitsbedenken sofort nachgegangen sei. Es bestehe jedoch kein Grund zur Beunruhigung, da die möglichen Messfehler durch andere Sicherheitssysteme aufgefangen würden. Der Fachmann H. zeigt sich jedoch wenig beeindruckt von dieser Erklärung, und von der Geschäftsleitung gefragt, was er denn „tun würde“, antwortet er: „Alle in Frage kommenden Steckverbindungen überprüfen und austauschen“.

Daraufhin rechnen die Vertreter der Geschäftsleitung vor, welchen Kostenschub eine solche Aktion verursachen würde, ganz zu schweigen davon, dass die Medien eine solche Umtauschaktion in der Öffentlichkeit ausschlachten und dadurch den Geschäften des Unternehmens schaden würden. Vorsorglich droht man H. gerichtliche Schritte für den Fall an, dass er sich mit seinen Bedenken an die Öffentlichkeit wendet. Das weitere Gespräch verläuft ergebnislos.

H. wendet sich daraufhin an den Technischen Überwachungsverein und an die Öffentlichkeit. Das Unternehmen reagiert sofort mit der fristlosen Entlassung von H. und mit einer einstweiligen Verfügung, die eine Geldbuße von einer halben Million DM androht, falls H. weiterhin behauptet, die Sicherheit der Atomkraftwerke sei gefährdet. Bei der Kündigung wird dem Ingenieur von seinen bisherigen Arbeitgebern bedeutet, dass er im näheren Umkreis des Firmensitzes keinen Arbeitsplatz mehr zu suchen brauchte.

Die einstweilige Verfügung hält jedoch der gerichtlichen Überprüfung nicht stand; das Gericht gesteht H. zu, er könne öffentlich erklären, dass Reaktoren des betreffenden Unternehmens extrem gefährdet sind.

H. ist seit seiner Entlassung ein begehrter Referent. Aufgrund seiner „erzwungenen Arbeitspause“ nutzt er jede Gelegenheit, um seine Erkenntnisse mitzuteilen. Falls der von ihm befürchtete große Atomunfall eintreten sollte, will er sich nicht später nachsagen lassen, dass er es gewusst, aber verschwiegen habe. Seine berufliche und wirtschaftliche Zukunft ist völlig offen.

Wiederum besteht der Konflikt darin, dass die Sicherheitsbedenken eines verantwortungsbewussten Ingenieurs von der Unternehmensleitung zurückgewiesen werden, weil diese zusätzlichen Kosten und mögliche Ansehensverluste in der Öffentlichkeit scheut. Da der Betroffene die Flucht in die Öffentlichkeit wagt, wird er mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bestraft. Von arbeitsrechtlichen Schritten ist nichts bekannt, doch immerhin kann er vor Gericht die Freiheit der fachlichen Meinungsäußerung erstreiten.


4) Ford Pinto-Fall

Die Ford Motor Company stand Ende der 60er Jahre auf dem amerikanischen Markt in scharfem Wettbewerb mit VW und dem damals neu herausgekommenen Golf. Um einen dazu analogen Kleinwagen auf den Markt zu werfen, wurde der Ford Pinto übereilt entwickelt; so wurden z.B. die Werkzeugmaschinen für die Produktion parallel zum Bau des Prototyps gebaut. Tests zeigten bereits am Prototyp einen gefährlichen Fehler: Ein Aufprallunfall mit etwas mehr als 40 km/h verursachte das Bersten des Benzintanks und führte zum Brand des Fahrzeugs. Eine vierzig malige Wiederholung des Tests bestätigte das Ergebnis. Als Lösung des Problems wurde von den Ford-Ingenieuren eine Plastikpufferung vorgeschlagen, deren Kosten für Material und Einbau bei $ 11 pro Wagen betragen hätten. Das Management musste über diese Modifikation und deren Kosten entscheiden. Bei der folgenden Kosten-Nutzen- Analyse ging man davon aus, dass ein Menschenleben nach Berechnung des Bundesamts für Sicherheit des Landstraßenverkehrs (National Highway Traffic Safety Administration) versicherungstechnisch damals $ 200 000 im Falle eines Regresses wert war und man schätzte die Zahl der möglichen Todesfälle, Verletzungen und verbrannten Autos sowie deren Kompensationskosten ab (vgl. Tab. 1).

Aus dieser Vergleichsrechnung fällten die Manager die Entscheidung, die Konstruktion zu belassen und den Plastikpuffer nicht einzusetzen. Weitere Versuche der Ingenieure einer Verbesserung stießen auf Widerstand des Managements. Dem damaligen Chef der Ford Company, Lee Iacocca wurde der Spruch nachgesagt: „Safety doesn’t sell“.

Als Hintergrund zur Beurteilung ist es wichtig zu wissen, dass es zur Zeit der Produktion des Pintos auf Bundesebene in den USA noch keine Sicherheitsnormen für Benzintanks gab. Es wurde zwar 1968 ein Sicherheitsgesetz für industrielle Produkte verabschiedet, was Henry Ford als eine Einmischung der Regierung in die inneren Angelegenheiten des freien

Unternehmertums bezeichnete. Die Einführung einer Sicherheitsnorm für Benzintanks war für 1970 geplant, scheiterte aber an der erfolgreichen Lobbyarbeit von Ford ganze acht Jahre lang. In dieser Zeit produzierte Ford 8 Millionen Pintos. Allerdings sprachen sich die Brandunfälle mit den Pintos herum und Ford wurde durch den öffentlichen Druck genötigt, Abhilfe zu schaffen. Heute sind Rückrufaktionen bei Automobilfirmen zwar nicht sehr beliebt, aber sie stellen eine Notwendigkeit für das Image und die Integrität eines Unternehmens dar. Ein Fall wie Pinto würde eine Automobilfirma heute vermutlich durch den hervorgerufenen Boykott der Kunden nicht überleben.

T. war damals im Management bei Ford und mitverantwortlich für die Entscheidung gegen die Plastikpufferung. Seine Bedenken wurde überstimmt und er fand sich damit ab. Doch nach der Häufung der Brandunfälle, meldet sich sein Gewissen erneut. Ihn plagt die Frage, ob er etwas hätte ändern können und wie er sich hätte verhalten sollen.


5) Irak-Fall

Der Inbetriebnahme-Ingenieur L. wird von seiner Firma, einem im Anlagenbau führenden deutschen Unternehmen, im Sommer 1989 nach Bagdad (Irak) geschickt, um in einem Stahlwerk zur Produktion von Baustahl und anderen Qualitäten eine Teilanlage in Betrieb zu nehmen. Er fungiert dort als Baustellenleiter gegenüber dem unmittelbaren Kunden seines Unternehmens, einem deutschen Firmenkonsortium, das die Gesamtanlage konstruiert hatte und die Gesamtbaustellenleitung gegenüber dem Endkunden zu vertreten hat; der Endkunde ist das Nassr State Enterprise for Mechanical Industries, ein Unternehmen des irakischen Staates.

Vor der Reise macht sich L. zunächst keine Gedanken über den eigentlichen Zweck des Stahlwerks, auch wenn er sich aus bestimmten Unterlagen und Äußerungen im Stammhaus schon einiges hätte zusammenreimen können. Auch verdrängt er kritische Fragen aus seinem Bekanntenkreis, teils aus Loyalität seiner Firma gegenüber, teils aus Unsicherheit und Angst hinsichtlich möglicher Folgen für seine Person. schließlich geben die ihm bis dahin zugänglichen Unterlagen keinen konkreten Anlass, am erklärten Zweck der Anlage zu zweifeln. Im Irak eingetroffen, muss L. schon in den ersten Wochen feststellen, dass der Anlagenaufwand, wenn lediglich Baustahl produziert werden sollte, weit übertrieben wäre. Anhand von Aufstellungsplänen, bereits gelieferten Anlagenteilen, Kollegengesprächen und aufgrund des ganzen militärischen Ambiente gewinnt er den Eindruck, dass die Anlage mit Baustahl nichts zu tun hat. Aus diesen Fakten sowie aus Kundenäußerungen und vorgefertigten Mustern muss er schließlich erkennen, dass in diesem Stahlwerk einzig und allein Kanonenrohre aller Kaliber und Bauteile für militärische Kampffahrzeuge hergestellt werden sollen.

L. empfindet, wie sich nach dieser Erkenntnis mehr und mehr sein Gewissen regt. Er führt darüber nächtelange Gespräche mit seinen Arbeitskollegen – bei denen er allerdings wenig Verständnis findet – und lange Telefongespräche mit seinen Angehörigen. Nach einem kurzen Urlaub in Deutschland gelingt es ihm, das Problem trotz seiner täglichen Offensichtlichkeit eine kleine Weile zu verdrängen. Doch dann kommt ihm der Konflikt wieder umso stärker zu Bewusstsein und belastet ihn schließlich derart, dass er zu konzentrierter Ingenieurarbeit nicht mehr in der Lage ist; alle verantwortlichen Arbeiten müssen von seinen Arbeitskollegen übernommen werden, während er fast nur noch das Baustellentagebuch zu führen imstande ist.

In dieser Situation wendet er sich telefonisch an seinen Vorgesetzten in Deutschland und beanstandet, dass der tatsächliche Zweck der Anlage mit dem in seinem Arbeitsvertrag genannten Zweck nichts zu tun habe. Der Vorgesetzte erklärt, die Firma habe lediglich die Teilanlage zu liefern; die Gesamtanlage hätte sie nicht konzipiert und somit auch deren Endzweck nicht zu vertreten. L. bittet um sofortige Ablösung, die ihm mit der Maßgabe zugesagt wird, dass er noch einige Tage bis zu einem bestimmten Zwischenabschluss seiner Arbeit auf der Baustelle verbleibt.

Nach rund viermonatiger Tätigkeit im Irak kehrt er nach Deutschland zurück, um von seinem Vorgesetzten sogleich Vorhaltungen gemacht zu bekommen, in denen das Wort „Arbeitsverweigerung“ fällt. Zwei Wochen später verlangt der Vorgesetzte von L., erneut eine Aufgabe auf der irakischen Baustelle zu übernehmen, da ein erkrankter Kollege abgelöst werden muss. L. lehnt dies ab und antwortet, als er unter Druck gesetzt wird, mit einer fristgerechten Kündigung zum Jahresende.

L. wird aufgefordert, sogleich seinen Arbeitsplatz zu räumen. Der Personalchef des Unternehmens wirft ihm Arbeitsverweigerung vor und deutet die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung an, für den Fall, dass keine andere Lösung gefunden werde. L. besteht auf seiner eigenen fristgerechten Kündigung und erklärt (in Kenntnis des kurz zuvor ergangenen Grundsatzurteils im „Ärztefall“), anderenfalls werde er vors Arbeitsgericht gehen.

Auf diesen Hinweis hin lenkt der Personalchef sogleich ein, akzeptiert die fristgerechte Kündigung von L. und bietet die sofortige Beurlaubung unter Fortzahlung sämtlicher Bezüge bis zum Jahresende an. L., der noch einmal belehrt wird, dass er über alle geschäftlichen Obliegenheiten Stillschweigen bewahren müsse, geht darauf ein und scheidet Ende 1989 aus dem Unternehmen aus.

L. sucht durch Bewerbungen eine neue Anstellung. Bei einem Vorstellungsgespräch sagt ihm ein Personalleiter, L. bedeute mit seiner moralischen Einstellung einen Risikofaktor für das Unternehmen; wenn das Unternehmen viel Geld für einen Ingenieur ausgebe, dürfe es wohl auch verlangen, dass dieser in jeder Situation loyal zum Unternehmen stehe. Die betreffende Bewerbung wird ohne Angabe von Gründen abgelehnt.

Nach zweimonatiger Arbeitslosigkeit findet L. bei einem Unternehmen der Umwelttechnik eine neue Beschäftigung.


6) Großraumbüro-Fall

Der promovierte Ingenieur K. leitet ein selbstständiges Ingenieurbüro, das auf dem Gebiet der Bauphysik beratend tätig ist. Anfang der 1960er Jahre sind er und seine Mitarbeiter im Auftrag eines bedeutenden Konsumgüterunternehmens mit vorbereitenden Untersuchungen zum Bau eines neuen Bürogebäudes befasst. Kurz zuvor war die Idee des Großraumbüros aufgekommen, einer Bürokonzeption, bei der mehrere Dutzend bis über hundert Arbeitsplätze in einem durchgängigen saalartigen Raum angeordnet werden. Diese Idee begegnetjedoch„allerleigefühlsmäßigenundauchsachlichenEinwendungen. Werbisherim Einzelraum arbeitete, sieht im Übergang in den Großraum häufig eine Abwertung; die gegenseitige Störung erschwere die Arbeit, ermüde und könne so keinen Nutzen, sondern müsse Nachteile für das ganze Unternehmen bringen. Diese Einwände haben sich in vielen Fällen als berechtigt erwiesen“. So warnen auch K. und seine Mitarbeiter, auf die Gestaltung von Großraumbüros angesprochen, den verantwortlichen Architekten vor dieser neuen Bürokonzeption. Während der betreffenden Planungsarbeiten kommt nun der Firmenchef des Auftraggebers „von einer Reise nach USA zurück und will, von dort angeregt, mit allem Nachdruck Großraumbüros in seinem neuen Verwaltungsgebäude haben. Ich war dagegen und wurde, trotz bester Zusammenarbeit in manch anderer Hinsicht, schließlich vor die Entscheidung zu einem Abbruch unseres Mitwirkens bei weiterer Ablehnung gestellt“. Nach sorgfältiger Überlegung revidiert K. seine Einstellung, weil er den Eindruck gewinnt, dass der Hauptgrund für die Unbeliebtheit des Großraumbüros in der Geräuschbelastung liegt, mit der sich die darin Arbeitenden gegenseitig stören: „Insofern stellt das Großraumbüro also eine akustischeAufgabe dar“. Dementsprechend ändert K. gemeinsam mit seinen Mitarbeitern die Beratungsstrategie: Er folgt dem Wunsch des Bauherrn und übernimmt die akustische Optimierung der Großraumbüros. Zu diesem Zweck stellt er umfangreiche Untersuchungen über Geräuschentstehung, Geräuschausbreitung und Geräuschbelästigung an und konzipiert Maßnahmen zur Erzielung eines angemessenen Geräuschpegels, die vom Gebäudegrundriss über Schallabsorptionsmaßnahmen an Decke und Boden bis zu zusätzlichen Stellwänden zwischen den Arbeitsplätzen reichen. Die Großraumbüros werden nach diesen Grundsätzen derart realisiert, dass sich, von punktuellen Abweichungen abgesehen, ein konstanter Grundgeräuschpegel von 50 bis 55 Dezibel(A) einhalten lässt, eine Geräuschbelastung, die nach dem Stand arbeitswissenschaftlicher Erkenntnis als völlig unbedenklich galt. Dieser Fall zeigt, dass nicht nur Ingenieure in abhängiger Tätigkeit, sondern auch selbstständige Ingenieure in einen Konflikt zwischen eigener Problemsicht und fremden Erwartungen geraten können. Besteht dann der selbstständige Ingenieur auf seinem anfänglichen Problemverständnis, riskiert er die Auflösung des Beratungsvertrages; unter Umständen treffen die finanziellen Konsequenzen nicht nur den Leiter des Ingenieurbüros, sondern gegebenenfalls auch seine Mitarbeiter, die er dann nicht weiter beschäftigen könnte. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge günstiger: „Nicht der wirtschaftliche Nachteil eines Auftragsentzuges konnte uns als gut fundiertes, unabhängiges Beratungsunternehmen schrecken, entscheidend war der Reiz des Neuen. Die Entwicklungsaufgabe, deren Umfang über den eigentlichen Beratungsauftrag hinausging, haben wir in eigener Finanzierung durchgeführt“. K. löst also den Konflikt, indem er das Problem (die Bedenken gegen Großraumbüros) auf einer professionellen Definitionsebene (nachteilige Lärmbelastung) neu formuliert und dann seine fachliche Kompetenz und seine freiberufliche Unabhängigkeit für eine erfolgreiche Problemlösung einsetzt. Freilich nimmt er mit dieser Eingrenzung der Problematik in Kauf, anderen zuvor vermuteten Schwierigkeiten, vor allem auch psychosozialer Art, nicht weiter nachgehen zu können.

4. Fallbeispiel - Selbsterlebter Verantwortungskonflikt

Schreibe ein selbsterlebtes Fallbeispiel. Wann hast du dich in deiner eigenen Berufspraxis schon einmal in einem Verantwortungskonflikt befunden? Das Fallbeispiel muss nicht den Ingenieurberuf betreffen, es kann auch eine Situation in einem Studijob, im Praktikum etc. beschreiben. Berichte von dieser Situation in etwa 100 Worten.